Nicht mehr als Sternenstaub

Wettbewerbsbeitrag von Lucina, 14 Jahre

Die Worte schallten wieder und wieder durch ihren Kopf. "Die russische Regierung hat nukleare Waffen auf Gebieten der NATO abgeworfen." Nach dem Russisch-Ukrainischen Krieg vor 15 Jahren sind die Spannungen zwischen Russland und vielen westlichen Ländern stetig gestiegen. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Angst vor einem Atomkrieg zur Realität wurde.
Jane war eine Bürgerin der Vereinigten Staaten von Amerika, und als solche wusste sie, was sie tun musste. Um ihrem Land die strategische Vorherrschaft im All zu verschaffen, würde sie Nika umbringen müssen. Nika, ein russischer Kosmonaut, wie er selbst sagen würde, war ebenfalls ein Besatzungsmitglied der ISS. Für Jane war er ein enger Freund und vielleicht sogar noch etwas mehr. Aber für die Vereinigten Staaten war er ein Repräsentant des Feindes Russlands im Weltraum, und somit sein Leben nicht mehr als ein Kollateralschaden. Und Jane, Jane war ein Bürger der USA.
Sie zog eine der Schusswaffen aus ihrem breiten Schrank und lud sie. Nika müsste längst dasselbe getan haben, denn auch er hatte Befehle und eine Heimat.
Ohne zurückzublicken, betrat sie den großen Aufenthaltsraum, in dem Nika bereits stand, seine Pistole auf sie gerichtet.
"Das war's dann also" sagte sie langsam. "Sieht so aus" sprach er und klang fast belustigt. Beide Astronauten fixierten einander. Jane blickte starr in Nikas Augen und versuchte ihr Bestes, ihn nicht als ihren Freund zu sehen. Zwischen ihnen war eine unmöglich niederzureißende Mauer gebaut worden, dennoch zögerte Jane, den Abzug zu drücken.

Eben diese Mauer schien schließlich durch Gelächter Nikas unterbrochen zu werden, welches Jane einzig als verrückt beschreiben konnte.
"Jane, merkst du nicht, wie unsinnig das alles hier ist? Die da unten wollen über unser Leben entscheiden, wo wir doch unendlich weit entfernt sind?", sprach der Mann ihr gegenüber. "Was willst du Nika? Bist du jetzt vollends durchgedreht?" erwiderte sie ungläubig und klang fast schon trotzig. "Nein, nein ich meine das ernst." Er legte eine kurze Pause ein, wie um über seine nächsten Schritte nachzudenken. "Das hier ist sinnlos." sprach er schließlich sanft und legte seine Waffe nieder.

Die ganze Situation vor ihr kam ihr surreal vor. Schließlich überkam sie eine glühende Wut. Wie konnte er ihr diese Wahl lassen? Wie konnte er ihr solch einer Entscheidung aussetzen? Es war ihr nur möglich, das Leben eines unbewaffneten, geliebten Menschen zu nehmen, oder ihr Vaterland zu verraten.
Aus einer logischen Perspektive müsste sie den Abzug drücken, alles andere wäre leichtsinnig und dumm.
Aber von hier oben, schwebend zwischen riesigen Sternen und Planeten erschien ihr das alles unbedeutend. Was bedeuteten hier, wo nur sie und er waren, Staaten auf einem kleinen blauem Planeten?
Sie wusste, dass sie ihre Entscheidung bereits getroffen hatte. Sie ließ ihre Waffe fallen. Schließlich war auch sie nicht mehr als Sternenstaub. Sie lächelte Nika an, er blickte emotionslos zurück.
Dieser leere Gesichtsausdruck und die Bewegung seiner Hand, in der er etwas hielt, war das letzte was sie sah, bevor der Schuss ertönte.

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Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen

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