The End

Wettbewerbsbeitrag von Marike Ackermann, 14 Jahre

Ich lag da und schaute in den sternklaren Himmel, da oben sah es wunderschön aus. Wie lauter kleine Glühwürmchen leuchteten die Sterne am Himmel. Ich glaube, ich sah die Milchstraße, doch war mir dessen sehr unsicher. Es war doch krass, wie wenig ich von dem, was da oben vorging, wusste. „Es wirkte so, als ob da oben alles still und friedlich ist. Als müsste man sich um nichts Sorgen machen, weil es keine Gefahren gibt. Als könnte man in der Schwerelosigkeit fliegen, wohin man will und wann man will. Doch ich wusste genau, dass dies nicht der Fall war, da oben war es gefährlich, es gab so vieles Gefährliches, so vieles Ungeklärtes, dass ich es gar nicht vermochte, das alles in einen Satz zu fassen. Ich kroch in mein Zelt, unter ein Dach, das mich vor allem von da oben schützen sollte. Ich wusste genau, dass nur, weil etwas nicht mehr sichtbar ist, es nicht auch automatisch weg war. Doch im Moment brauchte mein Kopf diesen Gedanken. Dass es hier in diesem Zelt, in meinem Schlafsack, der sicherste Ort auf der ganzen Welt ist. Und so verfiel ich in einen ruhigen Schlaf.
Ich schreckte hoch. Ein lautes Geräusch, so laut, wie ich es noch nie gehört habe, drang durch die Stille der Nacht. Es hörte sich wie ein Rauschen an, gefährlich und unberechenbar. Ich schlug meinen Schlafsack über den Kopf. Es wird schon nichts gewesen sein. Doch die Stille, die sich darauf um mich herum ausbreitete, verschlang meinen Atem, verschlang meine Gedanken, verschlang alles, verschlang das Zirpen der Grillen,das Schnarchen aus dem Nachbarzelt und das Rascheln meines Schlafsackes. Ich hörte einen durchgehenden, hohen Ton, er war schrill und unangenehm, anhaltend und ging nicht weg. Ich bohrte mit dem Finger in meinem Ohr und nun hörte ich die Stille. Unbehagen kroch in mir hoch. Und ich linste aus meinem Zelt auf den im Schatten der Nacht liegenden Zeltplatz. Als ich aus meinem Zelt kroch war ich überrascht wie warm es war, ich spürte keinen Wind, keine Kälte und auch mein Atem hinterließ keinen Wasserdampf, wobei es es doch Herbst war, und mir inzwischen die Zehen hätten abfrieren müssen. Stattdessen fühlte ich ein Pochen unter meinen Füßen, und mit jedem Schritt den ich tat, wurde es doller und doller, bis ich nur noch von dem Pochen getrieben über den Zeltplatz rannte. Und abrupt zum stehen kam, als ich vor mir ein riesigen Krater, und eine steile Abbruchkante sah. Geschockt stand ich da, am Rande von Etwas, das ich weder glauben, noch hören, aber dennoch sehen konnte. Unter meinen Füßen spürte ich das Pochen, ganz klar, ganz deutlich, und so unmissverständlich rufend. Plötzlich brach der leichte Überhang aus Erde, auf dem ich gestanden hatte, ab. Ich kreischte kurz auf und rollte dann den steilen Hang hinunter, bis meine Stirn gegen etwas Hartes stieß. Ich saß auf, meine Hände zum Schutz vor mein Gesicht haltend. Ich befühlte meine Stirn mit den Fingerspitzen, ich blutete! Doch als ich meine Fingerspitzen im schwachen Mondlicht betrachtete, sah ich nur Wasser, und erstarrte. Es tropfte mir von der Stirn auf meine Hand, das Wasser, das ich blutete. Als ich mich aufrichtete, sah ich eine kleine silberne Uhr, die ein wenig wie der Wecker meiner Oma aussah. Sie lag da, als hätte sie jemand dort platziert, nur damit ich sie sehe. Irgendetwas stand dort auf ihr in verschnörkelter Schrift. Es war schwer für mich, sie zu entziffern, ich nahm sie in die Hand, die Zeiger standen still. Und ich entzifferte die schörkelige Schrift. Dort stand: „Ihr seid alle nur ein Teil, ein Teil von etwas Großem. Der Zeit!“ Ich hielt die Uhr in meinen Händen und schaute in die Sterne. Auf einmal spürte ich einen Sog an meinen Fingern, einen Sog an der Uhr. Ich schaute nach vorne und stolperte nach hinten. Es war wie ein Riss in der warmen Nachtluft, ein Riss durch die Zeit, ein Wirbel, aus tiefster Schwärze. Ein Schwarzes Loch, direkt vor mir. Es zog an meinen Fingern, wollte, dass ich die Uhr losließ, doch ich hielt sie fest umklammert. Ich hörte die Uhr anfangen zu ticken, immer schneller und immer schneller. Und dann löste sie sich aus meinen Fingern und verschwand im Schwarzen Loch, und mit ihr ihre Zeit, unsere Zeit, die Zeit der Menschheit. Ich schaute zum Himmel, plötzlich kam ich mir so klein, so unbedeutend, wie ein Staubkorn in der Luft vor. Ein Staubkorn gefangen auf einem kleinen Planeten, der sich für so groß hielt, dass er dachte, das es immer nur um ihn gehen würde. Ich wollte raus, raus aus dem Loch, doch meine Arme begannen sich in Wasser aufzulösen, meine Beine brachen zusammen. Ich schrie, schrie in kompletter Stille, brachte keinen Laut von mir, ich war Wasser, eine riesige Welle kam auf mich zu, dann wurde alles schwarz.

Ich schlenderte über den Zeltplatz, es war ein schöner, sonniger Tag. Und das Wetter war perfekt, um an den See schwimmen zu gehen. Ich hatte meine Badesachen in ein Handtuch eingewickelt und plapperte fröhlich mit meinen beiden Freundinnen, über dies und jenes. Wir liefen an einem Pärchen vorbei, das mit den Zeltstangen rumfuchtelte und ziemlich ratlos aussah. Wir kicherten und liefen vorbei. Und da hörte ich es. Das Tick, Tack, Tick, Tack. Ich hörte augenblicklich auf zu kichern. Und erinnerte mich an meinen sehr seltsamen Traum, den ich vor ein paar Tagen, gehabt hatte. Ich erkannte das Ticken wieder. „Hört ihr das auch?“, fragte ich. „Was meinst du?“, fragte Marie. „Ach, egal“, sagte ich. Offenbar war es für mich bestimmt, offenbar wollte es zu mir. Ich hörte es immer lauter und dann spürte ich es, unter mir in der Erde, das Tick, Tack, Tick, Tack. Ein leises Pochen, es kribbelte in meinen Zehenspitzen. Es wollte von mir gesehen, gehört, gefühlt und geglaubt werden, das Etwas. Mir schien es so, als ob die Sonne an diesem Tag dunkler und der Mond heller, als je zuvor geschienen hatten. Als ob der Tag kälter als die Nacht, und die Nacht wärmer als der Tag gewesen war. Und das war wieder etwas, das ich  gehört und gespürt, jedoch nicht gesehen und geglaubt hatte. Ich habe diesen Tag nie vergessen, und den Traum auch nicht. Denn nun glaubte ich, gesehen, gehört und gespürt zu haben, dass ich auf der Zeit der Menschheit gestanden hatte, die wie eine Bombe tickte. Wie eine Bombe, die bald in die Luft gehen würde.

And that is the end of the end!

Alle Infos

Die Über All Lesung

Lasst euch von sieben der Preisträger:innen des Wettbewerbs Über All in ferne Welten entführen

Die Über All-Preisträger:innen

Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen

Die Über All Jury

Teilnahmebedingungen

Preise - Das gibt es zu gewinnen!

Schirmherrin Dr. Suzanna Randall

EINSENDUNGEN

Autorin / Autor: Marike Ackermann