ALL das zwischen uns

Wettbewerbsbeitrag von Sveja Kühne, 14 Jahre

Ich renne. Besser gesagt ich sprinte.
Ich muss diesen Bus bekommen.
Mir laufen fast schon die Tränen über meine Wangen, weil ich genau weiß, dass ich diesen Bus nicht schaffen werde und trotzdem renne ich, als wäre er nicht schon längst abgefahren und mit ihm mein Traum.
Als ich außer Atem an der Haltestelle ankomme, ist der Bus schon längst verschwunden. Der nächste kommt in einer Stunde. Viel zu spät. Wie konnte ich diesen Bus verpassen? Mein Leben lang hab ich auf diese Chance gewartet und ich habe sie verspielt.
Während ich mir in meinen Gedanken ausmale, wie schön es wäre, hätte ich den Bus nicht verpasst, klingelt mein Telefon. Und ehrlich, das Letzte, was ich brauche, ist ein nerviger Anruf. Nein. Danke.
Ich warte ab, bis mein Handy aufhört zu klingeln, aber das tut es nicht. Verdammt nochmal, ich hoffe das ist wichtig!
Ich atme noch einmal scharf aus, bevor ich den Anruf entgegen nehme.
"Hallo, es gerade ist es echt schlecht", bringe ich genervt hervor.
"Oh ähm… Tut mir leid, ich habe mich wohl verwählt", erklingt eine männliche Stimme durch den Hörer, "ich wollte keinen Ärger machen."
Ich schüttele leicht den Kopf.
"Nein... schon gut, mein Tag ist eh gelaufen."
"Darf ich fragen warum?"
Ich atme durch und überlege einen Moment, ob ich diesem Fremden jetzt wirklich von meinem Tag erzählen soll.
"Ähm naja. Ich weiß, es klingt unsinnig, aber ich habe meinen Bus verpasst. Und das war...das war wohl der wichtigste Bus in meinem Leben."
Jetzt, wo ich das ausspreche, schmerzt es noch ein bisschen mehr in meiner Brust.
"Warum war dieser Bus denn so wichtig?", fragt diese fremde Stimme vorsichtig.
"Ich wollte mich für ein Praktikum in einer Praxis für Astronomie bewerben. Mein Traum seit ich denken kann."
"Du interessierst dich für Astrologie?", fragt er und ich weiß nicht warum, aber es bringt mich zum Schmunzeln mit einem kleinen Lächeln auf meinem Gesicht antworte ich: "Ja, seit ich klein bin, träume ich davon, das Universum zu bereisen.
Weißt du? Ich möchte den Himmel berühren und darüber hinaus gehen, ich möchte an das Ende der Unendlichkeit im Universum stoßen, ich möchte mit den Sternen tanzen...", ich lache über mich selbst, "ach du hältst mich bestimmt für verrückt."
Kurz sagt er nichts und in mir zieht sich alles zusammen. Warum rede ich nur so viel?
"Nein, das klingt schön."
Ich halte inne und weiß nicht richtig, was ich jetzt sagen soll, aber ich spreche einfach über das, was ich liebe.
"Ich möchte wissen, wer noch in diesem Universum lebt. Wir können doch nicht die einzigen sein. Ich weiß es. Irgendwo da draußen gibt es mehr. Und vielleicht, ganz vielleicht bin ich die erste, die mit ihnen Kontakt aufnehmen wird. Und es macht mich verrückt, dass diese Unendlichkeit nicht in meinen Kopf passt.
Ich versuche sie mir vorzustellen, aber irgendwo stößt diese große Unendlichkeit in meinem kleinen Kopf an. Sodass jeglicher Gedanke, den ich darüber verschwende, sich irgendwo verläuft"
Der Fremde ist still, aber ich höre seinen Atem. Er ist noch dran.
"Wie heißt du, Fremde?"
"Nelly, und du?"
"Mero", kurz sagt er nichts, setzt dann aber wieder zum Reden an, "und ich verstehe dich. Es gibt so viele Galaxien, vielleicht sogar mehrere Universen.
Wenn ich darüber nachdenke, fühle ich mich wie nichts. Ich meine, das ist alles so groß und ich bin... so klein. Und ja du hast Recht. Diese Unendlichkeit. Es geht nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass etwas kein Ende hat. Raum und Zeit sind so irreal. Ich meine, gerade war ich noch in der Vergangenheit, in der nächsten Sekunde lebe ich schon in der Zukunft meiner vorherigen Vergangenheit, die für mich aber die Gegenwart ist. Existiere ich überhaupt oder bin ich nur ein kleiner Moment?"
Er atmet schwer aus, aber es liegen keine schweren Worte zwischen uns, im Gegenteil: ich habe mich noch nie so verstanden gefühlt.
"Weißt du", setzte ich wieder an, "wenn ich in die Sterne schaue, bewundere ich immer die Schönheit des Himmels. Die Sterne malen weiße Bilder auf ihrem dunklen Papier und tanzen dabei am Himmel miteinander, als wären sie nicht ewig weit voneinander entfernt.
Und all diese teuren bunten Farben, die man in den Geschäften kaufen kann, werden niemals so schön sein wie unser wundervolles Universum."
"Zeit, Raum, Du, Ich und alles dazwischen. Das ist Kunst."
"Ja, die Sterne sind Kunst, die Erde ist Kunst...Wir sind Kunst."

Mittlerweile sitze ich am Gehwegrand und lehne mit meinem Rücken gegen eine Hauswand, der graue Pulli über die Hände gestreift, es regnet ein bisschen und mir ist kalt, aber es ist, als würde seine Stimme mich wärmen.
"Ich könnte mit dir reden bis das Universum zu Ende geht", flüstere ich.
Ich höre ein leichtes Lachen am anderen Ende.
"Wie kommst du auf den Planeten Erde, ist es dein Lieblingsplanet?"
Kurz bin ich verwirrt.
"Naja, ich meine die Erde ist so toll, sie versorgt uns mit allem was wir brauchen."
"Warst du etwa schon mal dort?", fragt er etwas belustigt.
Ich weiß nicht Recht, was ich antworten soll. Irgendwie komisch.
"Ich lebe da."
Das klingt fast wie eine Frage.
"Also glaubst du tatsächlich an die Theorie, dass auf der Erde Leben ist?"
Meine Augen weiten sich, er kann natürlich nicht sehen, wie verwirrt ich von seiner Aussage bin. Doch ich habe natürlich verstanden, dass er nur einen Witz macht.
"Haha", sage ich etwas genervt.
"Nein wirklich, glaubst du daran?
Er klingt ernst, aber ich finde es wirklich nicht lustig.
"Mero, ich lebe hier seit meiner Geburt.
Ich bin ein Mensch. Eine Frau. Ich gehe täglich zur Arbeit und habe eine wundervolle Familie."
Ich atme schwer aus, doch dann ist Stille.
Einfach nur Stille. Es ist aber wie, als könnte ich hören, dass er genauso verwirrt ist wie ich.
Es ist wie, als würde er etwas realisieren.
Etwas, was ich nicht weiß.
"Nelly?"
"Ja?", ich hauche diese Antwort nur noch.
"Ich glaube, wir sind nicht nur ein paar Kilometer voneinander entfernt, sondern..."
"Sondern was?"
Mir stockt der Atem.
"Mehrere Lichtjahre."

Der Anruf wurde abgebrochen, aufgrund zu hoher Distanz

Alle Infos

Die Über All Lesung

Lasst euch von sieben der Preisträger:innen des Wettbewerbs Über All in ferne Welten entführen

Die Über All-Preisträger:innen

Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen

Die Über All Jury

Teilnahmebedingungen

Preise - Das gibt es zu gewinnen!

Schirmherrin Dr. Suzanna Randall

EINSENDUNGEN

Autorin / Autor: Sveja Kühne