Fremdenloge

Wettbewerbsbeitrag von Carlotta Schröder, 14 Jahre

Das Alien kreischte entsetzlich und Lin konnte riechen, was es heute gefrühstückt hatte. Ihre Vermutungen wurden durch die Blutreste und die kleinen Stofffetzen, die speicheldurchtränkt an den 2 fast einen Meter langen Fängen klebten, bestätigt. Langsam hob sie den kleinen, pistolenartigen Gegenstand und richtete ihn auf die Kreatur. Diese begann zu fauchen und Lin ließ den Gegenstand schnell wieder sinken. Das suchte es also. Das Alien riss den Mund noch weiter auf, als wollte es Lin ohne zu kauen mit nur einem Haps verschlingen. Schnell zeigte sie mit dem Finger nach links und es schloss das Maul. Es gab ein tiefes Grummeln von sich, bevor es mit seinen zwei gebeugten, haarigen Beinen davon hastete. Lin wünschte dem Krinkas mit einem schrillen Quietscher noch einen schönen Tag. Wie sie ihn so weghüpfen sah, auf seinem Weg zur Ticketshop, stellte sie mal wieder fest, wie ähnlich sich Krinkas und Menschen waren. Sie hängte den pistolenartigen Kartenprojektor, der ihr wegen der Waffenähnlichkeit unangenehm war, wieder an ihren Gürtel. Sie liebte ihren Beruf als Fremdenführerin auf fremden Planeten. Hier war sie eine Außerirdische und es war völlig normal, sich wie ein Alien zu fühlen. Sie ließ den Blick über den Platz vor dem Tempel und der Kampfarena schweifen, die sie gleich besichtigen würden. „Hey Lin!“ rief jemand hinter ihr und sie erkannte ihren Kollegen Nif. „Chef Bysam ist wieder da“, verkündete das Wesen nervös und reichte Lin mit einer seiner 12 Hände ein Lutschbonbon. Sie bedankte sich und wollte sich gerne noch mit ihm unterhalten, als ihre Gruppe aus einem Space-X-Bus purzelte und sich um sie sammelte. 20 Wesen, die nicht unterschiedlicher sein konnten. Vom kleinsten Brox bis zu einem Flanal mit mehr als 15 Köpfen. Das konnte ja heiter werden. Während Lin begann, ihre Kunden in 9 verschiedenen Sprachen zu begrüßen, fielen ihr zwei besondere Gäste auf, die ganz hinten standen. Einen konnte Lin keiner Spezies zuordnen, der andere war ein Wandler, der sich alle Mühe gab, wie ein Mensch auszusehen. Lin fühlte sich etwas unwohl. Sie gingen zum Tempel und Lin war ganz in ihrem Element. Sie erzählte von dem Glauben der alten Nul, die Sprengstoff über alles verehrten. Etliche waren explodiert, trotzdem war Sprengstoff die Grundlage für die erste Hochkultur der Spezies. Lin ging auf den Eingang des Tempels zu. Der Wandler und das andere Wesen bildeten das Schlusslicht und schienen desinteressiert. Plötzlich klopfte ihr jemand von hinten so fest auf die Schulter, dass sie stolperte. Die Hand stammte von einem großen, massigen Wesen mit freundlichem Lächeln. Chef Bysam. Er stand etwa einen halben Meter von ihr entfernt, holte jetzt tief Luft und spuckte Lin eine ekelerregende Menge Schleim auf ihr Shirt. Lin schluckte den Rest ihres Bonbons herunter und rotzte ihrem Chef die gesammelte Spucke auf das Hemd. Es war nicht ansatzweise so viel wie er gespuckt hatte, trotzdem freute er sich offensichtlich sehr, dass Lin die Begrüßungsrituale seiner Spezies annahm. Nachdem er ihr eine Spucketröpfchendusche und einige Aweisungen verpasst hatte, beugte er sich vor und raunte: „Der Wandler und sein Begleiter dahinten sind übrigens vom Sicherheitsdienst. Heute soll hier mal wieder irgendetwas sein.“ Lin nickte und war froh, als er sich mit einem Winken auf Menschenart von ihr verabschiedete. Sicherheitsdienst also. Eine geplante Explosion? Lin war erleichtert, dass sie den Tempel betraten, weil man drinnen geschützter vor so etwas war. Sie durchquerte mit ihrer Gruppe die prächtige Eingangshalle und verschwand in einem der kleineren Gänge. Das war die Besonderheit des Tempels: unzählige kleine Gänge, die zu versteckten Räumen führten. Bis heute fand man immer noch unentdeckte Räume und Logen. Lin erläuterte die Architektur. Plötzlich gab es eine ohrenbetäubende Explosion. Das gesamte Gebäude erzitterte und Staub rieselte auf Lin herab. Die Beleuchtung fiel aus. Sie hörte den Sicherheitsdienst fluchen. Ein gewaltiges Knacken übertönte alles. Der Boden unter Lin gab nach und sie fiel, landete hart auf der Seite und stöhnte vor Schmerz. Dunkelheit umgab sie. Von sehr weit über ihr waren Stimmen zu hören. Lin stand auf, es tat weh. Sie tastete sich an der Wand entlang und berührte einen Schalter. Über ihr sprang eine kleine Lampe an, die in der Nul-Antike Zimmer von außerirdischen Gästen erhellt hatte. Dieser Raum schien so etwas in der Art zu sein. Haufen von Artefakten stapelten sich an den Wänden. Außerdem war eine Schale bei der Explosion aus ihrem Regal gefallen und aus ihr ein kleiner Gegenstand. Er sah wie ein kunstvoll verzierter Kirschkern aus. Diese Kammer musste einen historisch unbezahlbaren Wert besitzen und Lin wusste, dass es ihr verboten war etwas anzufassen. Trotzdem musste sie einfach den Kern in die Hand nehmen, natürlich nur, um ihn wieder in die Schale zu legen. Er war angenehm warm. Sie wollte ihn wieder in die Schale legen, doch klebte fest. Lin schüttelte ihre Hand, versuchte ihn irgendwie abzustreifen. Es ging nicht. Der Kern wurde wärmer, brennend heiß und Lin schrie. Der Kern brannte sich langsam durch ihre Haut und Lin wurde fast ohnmächtig vor Schmerz. Dann war der Kern in ihrer Haut verschwunden und für einen herrlichen Moment fühlte sie nichts. Ihr Körper begann zu kribbeln und rote Linien breiteten sich von ihrer Hand über den gesamten Körper aus, verdichteten sich bis Lin ihre eigene Haut nicht mehr sah. Dafür sah sie im Augenwinkel den Wandler. „Haben Sie eine Menschenfrau gesehen? Sie ist eben hier heruntergefallen“, sagte er. Lin war verwirrt. Sie spürte, wie ihr Mund sich öffnete und sagte: „Die Fremdenführerin? Ja, die ist dort entlang.“ Ihr Finger zeigte auf eine Tür und er nickte. „Ich bin auch gefallen“, ergänzte ihr Mund, „Aber mir geht es gut. Suchen Sie die Menschenfrau, sie war verletzt!“ Der Wandler forderte Verstärkung an und ließ Lin alleine. Was hatte sich mit ihr verbunden? Warum erkannte sie niemand? Wer sprach für sie? Ihr war zum Heulen zumute. „Jetzt reiß dich zusammen“, forderte eine innere Stimme, „Ich bin doch nur ein Gast bei dir.“ „Aber ein äußerst ungewollter“, dachte Lin.

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Die Über All Lesung

Lasst euch von sieben der Preisträger:innen des Wettbewerbs Über All in ferne Welten entführen

Die Über All-Preisträger:innen

Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen

Die Über All Jury

Teilnahmebedingungen

Preise - Das gibt es zu gewinnen!

Schirmherrin Dr. Suzanna Randall

EINSENDUNGEN

Autorin / Autor: Carlotta Schröder