Star Operation: Flucht ins All

Wettbewerbsbeitrag von Raphael, 14 Jahre

Fünf Tage ist es her, dass die Menschheit ihr Zuhause, die Erde, verließ. Wir waren auf der Suche nach Leben. Nach freundlichem Leben. Denn die Erde war nicht mehr sicher. Sie war völlig zerstört. Und bis auf die, die nicht fliehen konnten, war jeder Mensch auf der so genannten „Star Operation“. Ein riesiges Raumschiff. Das Meisterwerk der 500 besten Architekten und Architektinnen sowie Erfinder/Erfinderinnen der letzten 20 Jahre. Die beste High-Tech-Ausrüstung. Von elektrischen Türen bis zum Autopilot. Und alles konnte nur errichtet werden, weil ich, 002, dreizehn Jahre hier oben im All lebte und arbeitete. Ich bin Astronautin und mein Name ist 002. Ein komischer Name, ich weiß. Aber ich habe mich mit ihm abgefunden. Er wurde mir schließlich auferlegt. Seit die Menschheit durch die sieben Weltkriege gedrittelt wurde, hat die Regierung uns unsere Namen genommen. Sie haben sie durch Code-Namen ersetzt. Auf jeden Fall wurde ich für 13 Jahre ins All geschickt, um die Star Operation aufzubauen. Natürlich habe ich nicht alles selbst gebaut. Ich habe die Leute da unten angeleitet und ihnen gesagt, wie sie das Produkt aufbauen müssen. Als das Schiff nun endlich fertig war, hatte sich die Situation auf der Erde schon so sehr verschlechtert, dass ich beschloss, im All zu bleiben und die Star Operation beim Start vor Ort zu unterstützen. Ich blieb also ein halbes Jahr länger im All als es vorgesehen war. Sobald die Star Operation startete, musste ich so schnell wie möglich auf die ISS. Hätte dieser Koloss die Schallmauer verlassen und wäre ich noch immer mit meiner kleinen Nussschale so weit weg von der ISS gewesen, hätte mich das Ding komplett zertrümmert. Und eine kleine Ewigkeit später, nachdem ich wieder auf der Raumstation war, konnte ich das riesige Raumschiff sehen. Mein Scan sagte mir, dass es 4,8 Milliarden Menschen beherbergte. Die Haustiere ausgeschlossen. Ich funkte den Captain an, „Probleme beim Start?“ „Kaum welche“, kam es aus dem Lautsprecher im Kontrollraum. „Ein paar Familien hatten sich zuerst geweigert, zu fliegen. Doch nach einer kleinen Beruhigungspause kamen auch die mit.“ „Gut. Ich gebe die Anlegestellen frei, damit ihr die Ladedocks abladen könnt.“ Ich drückte einen kleinen roten Knopf direkt neben dem Mikrophon. Ein lautes Signal ertönte. „Genehmigung erhalten“, kam es aus dem Lautsprecher. Ich stutzte. Das war eine andere Stimme. Nicht die des Captains. „Wer spricht da?“, fragte ich. „Code 460, Madam. Systemkommandant. Alle der Star Operation zugesendeten Koordinaten und Befugnisse gehen direkt an mich. Auch diese Landeerlaubnis.“ „Nun gut. Nehmen Sie die rechte Seite. Die linke ist noch voll mit Versorgungskisten. Wie voll sind die Ladedocks?“ „80% sind gefüllt.“ Eine weitere Stimme kam dazu. „Code 580. Versorgungsleitung.“ „Gut. Ich sage der Zentrale Bescheid, sie sollen die Kammern öffnen. Wenn 80% gefüllt sind, passt das nicht auf die Landebahn.“ Die Vorratskammern. Sie werden nur benutzt, wenn zu viele Vorräte geliefert werden. Normalerweise wird nur das Nötigste hier hoch geliefert. Aber wenn für über 4,8 Milliarden Menschen Vorräte gebraucht werden, wären sie sicher hilfreich. Ich ging nun aus meinem Büro. Naja. Ich schwebte. Aber sobald ich die Star Operation beträte, würde ich wieder ganz normal laufen. Das habe ich seit 13 Jahren nicht mehr gemacht. Ob ich überhaupt noch laufen kann? Ich kicherte. Laufen ist wie Raumschiff fliegen. Kannst du es einmal, kannst du es immer. Hoffte ich.

Zwei Stunden nachdem die Star Operation andockte, betrat ich sie das erste Mal in meinem Leben. Niemand war zu sehen. „Hey Alice“, sagte ich. Und an meinem linken Arm leuchtete ein Punkt auf. „Zu Ihren Diensten“, antwortete eine Stimme. Alice. Eine künstliche Intelligenz. Von mir selbst entwickelt. Sie war das unvollendete Produkt meines Vaters. Er war vor 15 Jahren gestorben. Also habe ich mich daran gesetzt und sie fertig gestellt. Leider konnte ich sie nicht verkaufen lassen, da ich weder die Materialien noch das Können hatte, sie zu reproduzieren. Schließlich hatte ich den Verkauf aufgegeben und Alice in meinen Arm implantiert, damit sie mir wirklich immer helfen konnte. „Alice, würdest du mir zeigen, welchem Raum ich zugewiesen wurde?“ „ Natürlich. Alle Räume sind den verschiedenen Code-Namen zugeteilt. Ihr Raum ist also die Nummer 2. Er liegt rechts den Gang hinunter. Die letzte Tür von links.“ „Wie lang ist der Weg dort hin?“ „10 Minuten.“ Ich seufzte. 10 Minuten einen Gang hinunter laufen? Nur um in meine kleine Behausung zu gelangen? Und dabei hatte ich gerade erst seit über einem Jahrzehnt wieder festen Boden unter den Füßen. Aber egal. Ich schleppte mich also den Gang entlang. Alle paar Minuten fragte ich Alice, wie weit es noch war. Die Antwort war nie erfreulich. Nach ungefähr der Hälfte hörte ich auf zu fragen und versuchte nur noch den Weg vor mir nicht aus den Augen zu verlieren und die Zahlen an den Türen zu lesen. 5900. 5876. 5388. 5000. Ab der Zahl 5000 hörte ich auf zu zählen. Ich war zu müde. Nur mein Gehirn las die Zahlen noch mit. 500. 400. 300. 200. 100. Kontrollraum. Kontrollraum? Ich drehte um. Rechts und links von mir sah ich keine Zahlen mehr. „Maschinenraum. Lagerräume.“ Ich war zu weit gelaufen. „Alice. Wie weit ist es jetzt noch?“ „25 Schritte“, kam es aus meinem Arm. „Wenn Sie aufgepasst hätten, hätten Sie es nicht übersehen können.“ „Was soll das denn heißen: Wenn ich aufgepasst hätte. Willst du andeuten, dass ich zu inkompetent bin, um mein Zimmer zu finden?“ „So würde ich das nicht sagen. Ich würde Sie als müde oder einfach unaufmerksam bezeichnen. Aber Sie sind auch das erste Mal seit Jahren wieder auf dem Boden. Sie müssen sich wieder an das Laufen gewöhnen. Es ist ein Wunder, dass Sie nicht umgekippt sind.“ Ich lachte. Schön,  dass Alice noch immer tadellos funktionierte. Ich ging nun weiter, den Weg zurück. Die erste Tür zu meiner linken. Zimmer 002. Ich drehte den Türknauf und trat ein. Nun würde endlich alles gut sein. Hoffentlich für immer.

Alle Infos

Die Über All Lesung

Lasst euch von sieben der Preisträger:innen des Wettbewerbs Über All in ferne Welten entführen

Die Über All-Preisträger:innen

Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen

Die Über All Jury

Teilnahmebedingungen

Preise - Das gibt es zu gewinnen!

Schirmherrin Dr. Suzanna Randall

EINSENDUNGEN

Autorin / Autor: Raphael