Unsere letzte Mission

Wettbewerbsbeitrag von Lukas Falbrede, 20 Jahre

„Valentina, jetzt schalte doch endlich dieses unerträgliche Piepen ab“, rief mir Nancy aus einem der unteren Decks zu.
Leichter gesagt als getan. Der Alarm war bereits vor einigen Minuten angegangen und bisher hatten wir noch nicht herausfinden können, was er bedeutete. Ich blickte aus dem großen Fenster hinaus in die unendlichen Weiten, die der Weltraum zu bieten hatte, doch ich konnte nichts Ungewöhnliches erkennen. Es handelte sich um unseren Außenbord-Alarm, der uns warnen sollte, falls sich ein Objekt auf Kollisionskurs mit der Station befand. Das waren meist nur kleinere Asteroiden.
Es waren Momente wie diese, in denen ich am liebsten das Mission Control Center kontaktiert hätte, um mich abzusichern. Doch dafür waren wir zu weit entfernt. Das Signal unserer Nachricht würde ungefähr fünf Jahre brauchen, bis es Houston erreichte, schließlich befand sich unsere Raumstation in einer Umlaufbahn des Sterns Proxima Centauri, etwa 4,2 Lichtjahre von der Erde entfernt.
„In solchen Momenten wünschte ich, Jakob wäre noch bei uns“, entgegnete ich, während ich weiter die Umgebung absuchte. Jakob war unser Techniker gewesen, bevor er vor zwei Monaten von uns gegangen war, ebenso wie alle anderen Teammitglieder. Auf dem Hinflug waren wir zu siebt gewesen, doch uns war allen klar, dass es eine Reise ohne Wiederkehr werden würde. Einer nach dem anderen hatte den Kampf gegen die lebensfeindlichen Bedingungen des Weltalls verloren und nun waren nur noch Nancy und ich hier. Nancy war Astrophysikerin, während ich mein Leben der Biologie gewidmet hatte. Wir kannten die Funktionsweise der Maschinen um uns herum, sodass wir den Laden am Laufen halten konnten, doch mehr auch nicht. Wir hatten bereits unsere Missionsleiterin, zwei Mechaniker, den Geologen und unsere Kommunikationsspezialistin verloren und konnten daher nichts weiter tun, als unsere Forschung solange es ging weiterzuführen.
Ich entschied mich, dass es sich um einen Fehlalarm handeln musste und schaltete ihn ab. Es kehrte Ruhe ein.
„Endlich“, sagte Nancy hinter mir. „Ich dachte schon, ich werde verrückt von dem Geräusch!“ Sie lächelte.
„Ich konnte nichts erkennen“, erwiderte ich. „Scheint nur ein Fehlalarm gewesen zu sein. Die Werte der anderen Sensoren sind alle soweit unauffällig.“
„Das ist gut, trag es am besten trotzdem ins Missionslogbuch ein“, sagte sie. „Für das Team nach uns.“
In der Station herrschte eine künstliche Schwerkraft, die uns zumindest ein wenig ein Gefühl von zuhause einbrachte. Daher konnte sich Nancy nun auch erschöpft in einen Stuhl fallen lassen. Sie legte ihr Tablet zur Seite und schaute aus dem Fenster in die Ferne. Ich setzte mich neben sie.
„Genau dieser Anblick ist der Grund, warum ich Astronautin werden wollte“, sagte Nancy ohne ihren Blick abzuwenden. „Der Grund, warum ich mich für diese Mission gemeldet habe. Auch wenn ich als Kind niemals gedacht hätte, dass ich auch so enden würde.“

Ich verstand, was sie meinte. Wir taten hier unseren Job. Wir forschten und sammelten Daten, die wir dann an die Erde zurückschickten. Es war eine Forschungsstation, die mögliche Lebensbedingungen in anderen Teilen des Universums untersuchen sollte. Bisher waren uns einige Durchbrüche gelungen, die möglicherweise sehr wichtig für die Zukunft der Menschheit sein könnten. Ich hatte es zum Beispiel geschafft, eine neue Pflanzenart zu züchten, nur aus dem Boden eines Planeten des Proxima-Centauri-Systems, ohne zusätzliches Wasser. Etwas, was auf der Erde so nicht möglich wäre. Nancy hingegen führte Experimente und Messungen zur Sternenentstehung von Proxima-Centauri durch. Die Daten unserer Forschung waren bereits auf dem Weg zurück zur Erde. Doch im Gegensatz zu unseren Ergebnissen, gab es für uns keinen Weg zurück. Das hier würde unsere letzte Mission sein.
„Wie kommst du voran?“, fragte ich sie.
„Soweit ganz gut, aber mein Teleskop macht mir ein paar Probleme, ich werde mir das nachher mal genauer anschauen. Jedenfalls bin ich mir ziemlich sicher, dass die Daten so nicht stimmen können.“
„Was denn für Daten?“, fragte ich nach.
„Ich empfange eine Frequenz, die ich nicht zuordnen kann. Ich habe mir die Strahlung des Sterns angeschaut, aber zusätzlich eine Frequenz aufgefangen, die ähnlich zu unseren Kommunikationssignalen ist. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass etwas mit der Entfernungsmessung nicht stimmt.“
Ich wusste, dass Nancy bei aufgefangenen Radiowellen herausfinden konnte, wie weit der Ursprung des Signals von ihrem Radioteleskop entfernt lag.
„Was ist denn mit der Entfernungsmessung?“, fragte ich neugierig. Sie blickte mich nachdenklich an.
„Nach der Stärke des Signals dürfte der Ursprung davon gerade mal ein paar tausend Kilometer von uns entfernt sein, aber das glaube ich eher nicht. Vermutlich ist es ein Signal von der Erde und das Gerät spinnt einfach.“

Ich war skeptisch. Der falsche Außenbord-Alarm war durchaus nichts Ungewöhnliches, aber eine zweite Fehlfunktion zur gleichen Zeit kam mir doch irgendwie komisch vor.
PIIIEEEP!
Ich zuckte zusammen. Nachdem ich den Alarm vor wenigen Minuten deaktiviert hatte, war es ruhig geblieben, doch nun ging er erneut los. Irgendetwas stimmte hier nicht. Eilig ging ich zu einem der großen Überwachungsbildschirme und überprüfte, was los war.
„Ich weiß nicht, was das ist!“, erwiderte ich, drehte mich um und blickte Nancy an. Doch die schien mich gar nicht mehr zu hören. Ihr Blick war starr aus dem Fenster gerichtet. Ich schaute ebenfalls in die Richtung, in die sie starrte und merkte, wie mein ganzer Körper sich anspannte.
„Was ist das?“, fragte ich entgeistert.
Groß und im Licht der Sonne glänzend, schlich es sich nun aus dem Schatten eines nahen Planeten. Noch war es weit entfernt und dennoch erkannte ich, dass es sich um eine Art Schiff zu handeln schien.
„Unser nächstes Besatzungsschiff sollte doch erst in drei Jahren kommen“, entgegnete ich zögernd.
Nancy blickte auf ihr Tablet. „Ich weiß“, sagte sie. „Aber das da ist die Quelle meines Signals.“

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Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen

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