Wir können unendlich sein

Wettbewerbsbeitrag von Joey Küstner, 24 Jahre

Wie heißt es so schön… Die Natur erschafft keine geraden Linien.
Vor einem Jahr entdeckte einer unserer Aufklärungssatelliten eine perfekt gerade Oberflä chenstruktur auf unserem roten Nachbarplaneten. Die linienförmigen Umrisse, begraben unter hundert Metern Stein und Staub hatten eine klare Botschaft: Wir waren nie allein! Das war der  Beweis für eine andere Zivilisation im Universum. Aber es gab keinen gemeinsamen Freuden schrei. Stattdessen Totenstille im Kontrollraum. Warum?

Als ich noch ein kleines Mädchen war, erzählte mir meine Großmutter, eine der führenden Kosmologinnen ihrer Zeit, von den großen kosmischen Geheimnissen: Sind wir allein im Universum? Wie fühlt sich die Unendlichkeit an? Sie glaubte, dass wir in der Lage sind, Antworten auf diese Fragen zu bekommen, aber dass man sich diese Antworten verdienen muss. Ich erinnere mich noch genau an ihre Worte: „Weißt du Lara, unser Universum ist unvorstellbar groß und alt.“ Sie erklärte mir, dass wir an diesem Ort unmöglich allein sein können. Dass es noch andere Zivilisationen geben muss. Sogar solche, die in all der langen Zeit so fortschrittliche Technik entwickelten, dass sie sich im Universum ausbreiten konnten. An diesem Punkt  stellte sie immer die gleiche Frage: „Wieso sind wir dann noch niemandem begegnet? Es muss ein Ereignis geben, das zur Zerstörung einer Zivilisation führt, bevor sie das All wirklich erkunden kann. Eine Hürde oder eine Mauer, wenn man so will. Und weil es niemand schafft, sie zu  überwinden, schweigt das ganze Universum. Wenn wir dann, während unserer Suche im All, statt auf Leben, nur auf die Überreste einer anderen Zivilisation stoßen, wäre das dann nicht noch vielmehr ein Beweis? Ein Beweis dafür, dass uns das gleiche Schicksal erwartet?“

Dieser Gedanke wird als die Theorie der großen Mauer bezeichnet. Und er stieß auf fruchtbaren Boden: Während der sich zuspitzenden Klimakatastrophe der letzten Jahrzehnte machte sich bei den Experten die Sorge breit, dass es sich dabei um unsere große Mauer handeln könnte. Denn immer mehr Rücksichtslosigkeit gegenüber unserem Planeten verschlimmerte die Lage weiter und weiter.

Drei Jahre war ich nun von zu Hause weg. Unsere Mission zur Erkundung des Satellitenfunds wurde nur genehmigt, um mögliche, übriggebliebene Rohstoffe sicherzustellen und nach Hause zu bringen. Nach monatelangen Bohrungen durch das rote Gestein der Planetenoberfläche erreichten wir schließlich die unterirdischen Gebilde. Es waren tunnelartig angelegte Bunker, die aus einem extrem standhaften Material bestanden. Die Wände waren eingestaubt, schimmerten aber an einigen Stellen in hellem Weiß durch die Staubschicht hindurch. Das Material kam unserem Kunststoff erschreckend nahe. Das war es, was die Bewohner für uns zurückgelassen hatten?

Doch dann fanden wir das „Konstrukt“. Zumindest nannten wir es so. Nach einigen Untersuchungen entdeckten wir, dass es eine Art Datenspeichersatz in Form eines Zahlencodes enthielt. Während des monatelangen Rückfluges fanden wir einen Weg, die Daten mithilfe der künstlichen Intelligenz unseres Shuttles zu entschlüsseln. Jetzt konnten wir die Botschaft, die sich hinter den Zahlen verbarg, endlich in unsere Sprache übersetzen…

Unser Shuttle ruckelt. „Lara, wir gehen gleich in den Landeanflug über!“, ruft Mary, unsere Kapitänin. Ich bin fest an einen der Sitze in der Forschungseinheit geschnallt und drehe den kleinen Bildschirm mit der Übersetzung zwischen meinen Fingern hin und her. Einmal will ich mir die Nachricht noch ansehen, bevor wir sie nach der Landung dem Bodenteam übergeben müssen. Ich erinnere mich an den Moment, in dem wir das Konstrukt fanden - ein kleines  Flugobjekt, an dessen Ende eine Art Triebwerk montiert war. Das Ziel war wohl ursprünglich die Reise ins All. Sein Datensatz enthielt neben der eigentlichen Botschaft auch Informationen  zu unserem Sonnensystem. Es schien so, als wäre unser Planet für sie völlig lebensfeindlich und nur sehr schwer erreichbar gewesen. Näher an der Sonne als der ihre, aber kälter und ohne eine für sie geeignete Atmosphäre. Nach der Entschlüsselung konnten wir jetzt auch endlich verstehen, wie die Zivilisation unseren Planeten nannte: „Mars“. Ihren eigenen Planeten nannten sie: „Erde“.

Ich starte die Übersetzung:

Sonde Voyager 3 vom Planeten Erde an alle Lebewesen, die in der Lage sind, dies zu entschlüsseln:

Wird diese Nachricht abgehört, dann haben wir es nicht geschafft unsere Heimat zu beschützen. Wir konnten aus unseren endlichen Ressourcen keinen unendlichen Kreislauf der Dinge erschaffen, um unseren Planeten und all das wundervolle Leben darauf zu erhalten und euch kennenzulernen. Uns blieben die Sterne verwehrt.

Aber die Menschen von der Erde haben eine Botschaft:
Unser Universum macht es uns vor. Alles, was wir über das Leben wissen. Darüber, dass es immer einen Anfang gibt - und immer ein Ende. Erst der Tod eines Sterns schießt Unmengen an Materie ins All und lässt damit die Entstehung von Planeten zu - und von uns. Falls ihr es also noch nicht selbst herausgefunden habt: Egal wie viel uns von euch unterscheidet - wir alle bestehen aus diesem Staub. Aus diesem Sternenstaub. Aber schon der nächste Stern kann alles Entstandene wieder vernichten, wird er zu einem schwarzen Loch. Eine der zerstörerischsten Kräfte überhaupt. Aber das Universum zeigt uns auch, dass es da noch etwas anderes gibt, oder? Das Unbekannte – Die Unendlichkeit, die wie ein ferner Horizont all unsere Welten in ihre Arme schließt. Aber man muss die Unendlichkeit erst erschaffen, bevor man sie betreten kann. Und das ist es, was wir zu spät verstanden haben. Wir dachten lange, dass wir die Zerstörung unserer Welt sowieso nicht mehr aufhalten können. Aber es gibt kein Gesetz, dass uns zum Scheitern verurteilt. Das Leben ist so besonders und wertvoll, weil es endlich ist. Aber erst das Wir kann etwas verändern. Ein Leben mag endlich sein. Aber wir können unendlich sein.

Helft uns, indem ihr aus unseren Fehlern lernt.

Ihr seid unsere zweite Chance.

Ihr seid die nächste Generation in unserem fantastischen Universum.

Alle Infos

Die Über All Lesung

Lasst euch von sieben der Preisträger:innen des Wettbewerbs Über All in ferne Welten entführen

Die Über All-Preisträger:innen

Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen

Die Über All Jury

Teilnahmebedingungen

Preise - Das gibt es zu gewinnen!

Schirmherrin Dr. Suzanna Randall

EINSENDUNGEN

Autorin / Autor: Joey Küstner