Nicht Reden, sondern Schweigen und Handeln

Wettbewerbsbeitrag von Luca Klein, 15 Jahre

„Mach mal bitte Platz.“ Harrison schob die träumende Eleanor einfach beiseite. Blödmann, dachte Eleanor Willingham grimmig und ließ sich abseits auf einen Sitz im Raumschiff nieder und schnallte sich fest. Eleanor war Astronautin, eine zierliche Frau mit spitzem Kinn und kurzen Schultern. Sie hatte ihr langen chagallblaue Haare mit einem Stirnband gebändigt und Eleanors bernsteinfarbenen Augen glitten unaufhörlich über die Zeilen der heutigen Zeitungsausgabe.

3026- Ein vollkommenes außerirdisches Jahr? 10.08.3026

Gestern am späten Abend ereignete sich ein unglaubliches Ereignis, welches zu einer Gefahr zu werden drohte. Es wurde ein unbekanntes Flugobjekt gesichtet, welches in großer Geschwindigkeit auf die Erde zuschoss. In heller Aufregung beobachteten die Menschen, wie ein fremdes Wesen aus der eigenartigen Maschine stieg. Aus Sicherheitsgründen wurde der Außerirdische direkt erschossen. Jetzt stellen sich Philosophen und Wissenschaftler die Frage, ob das Handeln richtig war.

Der Vorfall spielte sich in der kleinen Stadt Bath in England im  Prior Park ab. Zeugen, welche an diesem Tag eine Hochzeit feierten, verfolgten aufgeregt das Spektakel. Es wurden schnell Sicherheitsmaßen getroffen und die Polizei sowie die Spezialeinheit wurden hinzugerufen. Auch das Militär wurde eingeschaltet. Das zwanzig Meter längliche Flugobjekt mit vorne zulaufender Spitze, wie mit Hubschraubern und Drohnen identifiziert werden konnte, landete nahe der Schaulustigen. Aus dem Gefährt stieg ein einzelnes fremdes Wesen. Das Brautpaar erklärte stockend: „Es hatte riesige Augen und seine Haut war bläulich.“ Zuerst schien die Situation friedlich und beinahe wie ein neuer Anfang, jedoch sahen die Sicherheitsleute sich gezwungen, das Wesen zu erschießen aus potentieller Gefahr, nachdem keinerlei  kommunikativer Austausch mit dem Wesen möglich war und sie die Absichten des Fremden so nicht vorhersehen konnten.

Dieser zutiefst tragischer Vorfall wirft jedoch einige Fragen in der Menschheit auf bezüglich dessen, ob es keine andere Möglichkeit gab, das Wesen zu neutralisieren? Und was bedeutet dieses Ereignis für die Zusammenarbeit und der Kommunikation zwischen der Erde und anderen Planeten? Viele Protestierende fanden sich zusammen. In den Großstädten wird der Verkehr durch jegliche Sperrungen der Straßen beeinträchtigt und teilweise vollkommen unmöglich. Zuerst fanden die Kundgebungen friedlich statt, aber bald kam es zu Auseinandersetzungen der verschiedenen Meinungen. Zwei Seiten treffen aufeinander. Die, die es für richtig halten, sich vor den Außerirdischen zu schützen, da diese mit ihrer Intelligenz unserer überlegen sind und zu einer Gefährdung der Menschheit werden könnten, und die, die es für falsch halten und eine Lösung in der Diplomatie sehen.
Politiker hoffen auf Beruhigung der Umstände und diskutieren am 12.08. laut Versprechen, wie sich die Menschheit nun bezüglich des außerirdischen Lebens positionieren soll. Sicher ist schon, dass die Sicherheitsmaßnahmen drastisch erhöht werden.


Eleonar schüttelte traurig den Kopf und legte die Zeitung beiseite. Das Ereignis lag schon sieben Tage zurück, aber ließ Eleanor einfach nicht los, obwohl es nur eine der vielen Tragödien war, die täglich passierten. Astralion 1.2, ihr Raumschiff, hatte die Atmosphäre schon lange verlassen, wie Eleanor nüchtern feststellte. Es war klar, dass die Menschen sich nach einer neuer Behausung umsehen mussten. Die Erde war kurz vor dem Ende. Die Rohstoffe waren knapp, die Böden hart und nährstoffarm. Eine Bodenerschöpfung im ganzen Maße. Wie automatisch griff Eleanor wieder nach der Zeitung, als erwartete die Frau, der Artikel würde sich dann ins Positive wandeln, aber eine Stimme hielt sie vom Lesen ab. „Wir wechseln jetzt auf Lichtgeschwindigkeit.“, erklärte der Lautsprecher neben ihr. Das hatten sie letztes Mal auch gesagt, dachte Eleanor säuerlich. Aber, wer kam bitte auf die Idee ein Tag nach dem Vorfall mit den Außerirdischen nach einem neuen Planeten zu suchen? Sie hatten es trotzdem getan.
Eleanor erinnerte sich geradezu an die Faszination, die sie erfüllt hatte, als ihr Raumschiff langsam durch das dunkle Meer aus Sternen glitt auf den Planeten zu, den sie entdeckt hatte. Den noch kein anderer entdeckt hatte. Der Planet sah der Erde sehr ähnlich, hatte nur mehr Wasser und wenn man von oben auf seine weite Fläche hinab blickte, sah man nur viele kleine Tupfen, die die Landschaft bildeten - ganz viele Inseln. Ihr Team war gelandet, sicher, gefunden zu haben, wonach sie suchten. Sie waren auf einer Insel aufgesetzt und schon bald war klar gewesen, dass die Menschen nicht alleine waren. Kleine ausgemergelte Wesen waren zu ihnen gekommen. Blaue Haut, die ganz faltig wirkte, Glubschaugen mit schmalen Pupillen. Sie sahen beinahe einem alten Mann ähnlich, der sich vollkommen mit Theaterschminke zugekleistert hatte und Kontaktlinsen trug.  Es waren die Wesen gewesen, von denen die Menschen eines getötet hatten. Eleanor wusste noch genau, wie und was die Bewohner des fremden Planeten gesagt hatten. „Ihr hier nicht erwünscht sein, Orbitschatten. Ich sein Zephyr. Ihr sein Mörder. Ihr Einen von uns ermordet“ Eine rauchige Stimme hatte sich in  Eleanors Kopf entfaltet. Und niemand hatte etwas gesagt, nur ihre Gedanken führten ein Gespräch. „Du keine Angst vor uns haben“, hatte Zephyr auf einmal festgestellt und sich ruckartig zu Eleanor umgedreht. Die Frau hatte nichts denken müssen. Ihre Gefühle hatten selbst für sie gesprochen. Es war tiefe Traurigkeit über das, was die Menschen angerichtet hatten und sie gehörte, zu ihrer Frustration, dieser grausamen Spezies an. Zephyr hatte den Kopf gewiegt und ihre Pupillen waren noch enger geworden. „Du sein anders“, hatte sie schließlich gemeint und obwohl die Außerirdische es nicht laut aussprach, hatten ihre Worte so viel Schwere, das sie in Eleanors Kopf nachhallten. Sie war anders. Eleanor konnte ändern. 

Da waren die Menschen also wieder. Auf der Suche nach einem neuen Planeten. Eleanor wusste im Stillen, dass die Menschen ausgelöscht werden würden. Nicht durch einen Asteroiden, nicht durch die Sonne, nicht durch eine Krankheit, nicht durch eine Naturkatastrophe, sondern durch sich selbst, wenn niemand etwas tat. Keiner konnte die Bedeutung des Augenblickes fühlen, aber sie war da. Eine Frau hatte sich nicht zum Reden schwingen, sondern zum Schweigen entschieden. Aber zum Handeln.

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Die Über All Lesung

Lasst euch von sieben der Preisträger:innen des Wettbewerbs Über All in ferne Welten entführen

Die Über All-Preisträger:innen

Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen

Die Über All Jury

Teilnahmebedingungen

Preise - Das gibt es zu gewinnen!

Schirmherrin Dr. Suzanna Randall

EINSENDUNGEN

Autorin / Autor: Luca Klein