Juice: zwischen Leben und Ressourcen

Wettbewerbsbeitrag von Max Büttner, 16 Jahre

Das Licht des Monitors flackert. Die Aufzeichnungen der Kamera laufen ohne Pause weiter. Emma kann ihren Augen nicht trauen. Ist es tatsächlich real, was sie gerade gesehen hat? Ganz schwach hört sie die Stimme von Ben aus dem Hintergrund kommend. "Emma, was ist mit dir?" Die Stimme wird lauter und klarer. Emma kehrt Stück für Stück zurück aus ihren Gedanken. Das Herz schlägt ihr bis zum Hals - vor Aufregung. Mit zittriger Stimme antwortet sie: "Das sind die neuesten Bilder der JUICE. Sie wurden heute Morgen erst aufgezeichnet. Es gibt so etwas wie Leben auf dem Jupiter."
Die Erforschung des Jupiters und seiner Monde löste bei Emma schon als kleines Mädchen eine besondere Faszination aus. Der Weltraum spielte seit ihrer Kindheit eine wichtige Rolle in Emmas Leben. "Der Weltraum, unendliche Weiten." Als sie diese Worte zum ersten Mal hörte, war ihre Begeisterung für das All und seine unerforschten Geheimnisse geweckt. Ihr Vater, der selbst Leiter einer Sternwarte ist, unterstützte sie in ihren Interessen von Beginn an. Gemeinsam beobachteten sie am Abend die Sterne, hielten Ausschau nach Sternschnuppen und philosophierten über Planeten, welche ihr noch viel zu unbekannt waren. Sie wollte mehr über die im Weltall schwebenden Bälle, wie Emma sie als Kind nannte, erfahren. Ihr reichte es nicht zu wissen, wie die Planeten heißen und wie sie aufgebaut sind. Wie entstanden Himmelskörper? Gibt es Leben auf ihnen zu entdecken? Diese Fragen interessierten Emma schon als kleines Kind und erschwerten ihr jede Nacht das Einschlafen. Die Mysterien um neue Lebenskulturen hatten es ihr besonders angetan. Am liebsten wollte sie selbst zu ihnen reisen und sie erforschen. Der Traum davon, selbst Teil eines Forschungsprojektes zu sein, welches einen Betrag zum Fortschritt der Menschheit leistet, spornt sie ihr ganzes Leben an.
Nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer Schulzeit wollte Emma keine Zeit verlieren. Sie studierte Ethik. Mit Ethik in die Raumfahrt? Viele ihrer Freunde belächelten sie. Doch das war Emma egal. Ihr ging es nicht um die Technologien der Maschinen und den Berechnungen von Antrieben oder Flugkurven. Dafür hatte sie Ben. Ben und sie lernten sich während ihres Studiums kennen. Er beschäftigte sich genau mit den Themen der Raumfahrt, die für Emma eher eine Nebenrolle spielten. Sein Interesse für den Weltraum reichte nicht annähernd an ihres heran, doch er teilte die Faszination für das Unerforschte mit ihr. Als ihre Studienzeit beendet war, erhielten sie gemeinsam einen Arbeitsplatz bei der esa, der Europäischen Weltraumorganisation. Heute im Jahr 2032 nehmen sie an der Erforschung des Planeten Jupiter und seiner vier größten Monden Io, Ganymed, Europa und Kallisto mithilfe der Raumsonde JUICE teil. Emmas großer Traum ist in Erfüllung gegangen.
"Erzähl mir mehr, Emma." Ben nimmt neben ihrer Freundin Platz. Zusammen verfolgen sie die Aufnahmen auf dem flackernden Bildschirm. "Du weißt doch, dass die Sonde derzeit auf dem Eismond Ganymed unterwegs ist. Sie soll die Zusammensetzung der Oberflächenbeschaffenheit und der Atmosphäre untersuchen. Doch die eingebauten Kameras haben Leben auf dem Mond des Jupiters gesichtet. Wir sind die ersten, die diese Aufnahmen sehen." Emmas Aufregung ist noch immer zu spüren. Sie hatten gehofft, neue Lebensformen auf dem Jupiter zu entdecken und ihr Nutzen für die Menschheit zu erforschen. Was genau sind sie? Wie verständigen sie sich? Wovon leben sie? Emma will alles wissen. "Wenn wir noch weitere dieser Geschöpfe entdecken, muss die Leitung einer Mission zur Erforschung der Lebensbedingungen auf den Jupiter zulassen." Doch Ben reagiert nicht so, wie Emma es sich vorgestellt hatte. Er wartet zunächst, bis er seiner Freundin antwortet. "Emma, das wird nicht passieren." "Warum nicht?", fragt Emma überrascht. "Die Kollegen haben im Inneren des Mondes einen Rohstoff entdeckt, welcher eine ähnliche Zusammensetzung wie unser Treibstoff hat. Allerdings könnte dieser die doppelte Leistung bringen und zusätzlich den Ausstoß umweltschädlicher Abgase in unsere Atmosphäre vermeiden. Damit könnten wir dem Klimawandel entgegenwirken und unserer Erde gute Überlebenschancen für die nächsten 1000 Jahre ermöglichen." Ben beendet seine Ansprache abrupt. Emma freut such für ihren Freund und die Entdeckungen, welche er und sein Team errungen haben. Dennoch merkt sie, dass er ihr nicht alles gesagt hat. "Was hat der Treibstoff mit den Spuren von Leben auf Ganymed zu tun?", stellt sie Ben zur Rede. "Der Vorstand möchte zeitnah eine Mission ins Leben rufen, je mit Bohrungen bis zum Kern des Eismondes Ganymed beauftragt wird. Sie wollen den Rohstoff in großen Mengen abbauen und zur Erde transportieren. Da nach derzeitigem Erkenntnisstand womöglich unter der gesamten Eisoberfläche des Mondes der Rohstoff zu finden ist, sollen mehrere Bohrungen erfolgen. Das bedeutet den Zerfall von Ganymed in absehbarer Zeit. Der Fortschritt der eigenen Technologien steht für die Leitung im Vordergrund. Eine Umsiedlung der Lebewesen auf unseren Planeten wäre denkbar. Allerdings unterscheiden sich die Lebensbedingungen auf der Erde grundlegend von den Verhältnissen auf Ganymed. Es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht überleben."
Stille. Emma weiß nicht, wie sie darauf reagieren soll. Als Ethikerin ist für sie klar: Jedes Lebewesen hat das Recht auf Leben. Dabei spielt es keine Rolle, wie viel über es bekannt ist oder woher es kommt. Die Erkundung der Lebensformen könnte der Wissenschaft wichtige Erkenntnisse bringen. Ihre Verständigung und ihr Verhalten untereinander sowie zu fremden Geschöpfen lassen sich untersuchen. Vielleicht ist ein Zusammenleben unter Anpassung der Lebensbedingungen denkbar? Könnte eine Umsiedlung der Menschheit bei den bedenklichen Aussichten unserer Erde auf den Jupiter und seinen Monden möglich sein?
Emma ist im Zwiespalt mit sich selbst. Der Schritt in die Raumfahrt, die Unterstützung des Fortschritts und der Forschung waren immer ihr großer Traum, für den es sich zu arbeiten lohnte. Doch nun steht sie vor einem Interessenkonflikt, der sie vor eine Frage stellt: Ist es richtig, einen anderen Lebensraum mit seinen Bewohnern zu zerstören, um den eigenen Planeten zu retten und die Forschung voranzubringen?

Alle Infos

Die Über All Lesung

Lasst euch von sieben der Preisträger:innen des Wettbewerbs Über All in ferne Welten entführen

Die Über All-Preisträger:innen

Vielen Dank an alle Teilnehmenden für diese spannenden Exkursionen ins All und herzlichen Glückwunsch den Preisträger:innen

Die Über All Jury

Teilnahmebedingungen

Preise - Das gibt es zu gewinnen!

Schirmherrin Dr. Suzanna Randall

EINSENDUNGEN

Autorin / Autor: Max Büttner