Wer Vögel hört, sieht eher Vögel

Geräusche können die visuelle Wahrnehmung beschleunigen, aber auch in die Irre leiten

Wenn wir einen Vogel zwitschern hören und aus dem Fenster gucken und ihn dann auch gleich entdecken, ist die Sache klar. Es fühlt sich nicht nach dem komplexen Prozess an, der eigentlich hinter dieser Kombination aus akustischen Reizen und unserer visuellen Wahrnehmung steckt. Tatsächlich hilft uns das Vogelgezwitscher, das Objekt im Baum als Vogel zu erkennen, vermutlich sogar schneller als ohne das Gezwitscher. Aber würden wir dazu Geräusche eines Eichhörnchens hören, dann wären wir unsicher, welches Tier dort auf dem Baum sitzt.

In einer aktuellen Studie, die in der Zeitschrift Psychological Science erschienen ist, hatte sich ein internationales Forschungsteam damit beschäftigt, wie das Gehirn auf die unterschiedlichen Reize reagiert, vor allem dann, wenn sie voneinander abweichen. In Experimenten präsentierten Jamal R. Williams (University of California, San Diego) Testpersonen Figuren, die zwei Objekte in verschiedenen Stadien der Verwandlung ineinander darstellten, z.B. einen Vogel, der sich in ein Flugzeug verwandelt. Während dieser visuellen Unterscheidungsphase spielten die Forscher:innen auch eine von zwei Arten von Geräuschen ab: ein verwandtes Geräusch (in dem Vogel/Flugzeug-Beispiel ein Vogelgesang oder das Summen eines Flugzeugs) oder ein nicht verwandtes Geräusch wie das eines Hammers, der auf einen Nagel schlägt.

Geräusche lenken ab

Die Teilnehmer:innen wurden dann gebeten, sich zu erinnern, welches Stadium der Verwandlung ihnen gezeigt worden war. Um darzustellen, woran sie sich erinnerten, verwendeten sie eine gleitende Skala, die im obigen Beispiel das Objekt eher vogel- oder flugzeugähnlich erscheinen ließ. Es stellte sich heraus, dass die Teilnehmenden ihre Auswahl der Objektform schneller trafen, wenn sie verwandte (im Gegensatz zu nicht verwandten) Geräusche hörten, und dass sie ihre Auswahl der Objektform stärker an die verwandten Geräusche anpassten, die sie hörten.

Für die Wissenschaftler:innen zeigt das, dass Menschen sich in ihrer visuellen Wahrnehmung von Geräuschen durchaus ablenken lassen. Passen die Geräusche zum visuellen Eindruck, wird dieser schneller erfasst. Wir sehen den Vogel eher, wenn wir einen vermuten, weil wir ihn gehört haben. Aber diese Vermutungen können auch in die Irre führen. "Wenn man also ein Vogelgezwitscher hört, wird alles, was einem Vogel ähnelt, vorrangig in der visuellen Wahrnehmung berücksichtigt", erklärt Williams. "Wir haben herausgefunden, dass diese Priorisierung nicht nur eine Erleichterung ist und dass die Wahrnehmung des visuellen Objekts tatsächlich vogelähnlicher ist, als wenn man das Geräusch eines über einem fliegenden Flugzeugs gehört hätte."

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Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung