Die Ringparabel

Juden, Christen und Moslems glauben an denselben Gott!!!

Wir warten mit einer ganz alten Geschichte auf, die ihr vielleicht schon im Deutschunterricht "behandelt" habt. Aber wir finden sie vor allem vor dem Hintergrund der Terrorattentate auf die USA interessant, weil sie von ein schönen Gleichnis handelt, das vielleicht deutlicher macht, wie so ein Hass auf unterschiedliche Religionen entstehen kann. Geschrieben hat die Geschichte der deutsche Dichter Gotthold Ephraim Lessing im Jahre 1778.

Die so genannte *"Ringparabel"* ist das Herzstück seines Theaterstücks "Nathan der Weise", das in der Zeit des 3. Kreuzzuges spielt. Die christlichen Heere hatten im Jahr 1099 unter unglaublichen Verlusten Jerusalem erobert und einen guten Teil der jüdischen und mohammedanischen Bevölkerung abgeschlachtet, wie es in einer Beschreibung heißt.

Eigentlich ist die Ringparabel sogar noch älter und stammt von dem italienischen Dichter Giovanni Bocaccio (1313-1375). Sie hat über die Jahrhunderte nie an Bedeutung verloren - und ist derzeit aktuell wie nie zuvor!

Die Ringparabel

Vor langer Zeit lebte ein Mann im Orient, der einen unglaublich wertvollen Ring besaß. Dieser Ring war nicht nur wunderschön, sondern hatte besondere Kräfte: Wer ihn trug und sich bemühte, Gott und den Menschen angenehm zu sein, dessen Wunsch ging in Erfüllung.

Der Ring war schon seit Generationen vom Vater auf den Sohn weitervererbt worden - bis eines Tages ein Vater drei Söhne hatte. Der Vater liebte sie alle gleich; es gab keinen, den er lieber oder weniger lieb gehabt hätte, soviel er auch in seinem Herzen nachforschte.

Eines Tages spürte der Vater, dass er bald sterben würde. Er war nun in furchtbarer Verlegenheit: Würde er den Ring einem seiner drei Söhne geben, wären die anderen zwei furchtbar gekränkt.

Was macht der Vater, um keinen seiner Söhne zu verletzen? Er schickt den Ring zu einem bedeutenden Künstler, damit ihm dieser zwei identische Kopien von ihm anfertige. Die drei Ringe sollten wirklich vollkommen gleich aussehen und beim besten Willen nicht zu unterscheiden sein.

Der Vater ruft also auf dem Totenbett jeden seiner Söhne einzeln zu sich und gibt jedem der Drei einen Ring. So weit, so gut.

Nach seinem Tod geht aber der Streit unter den Söhnen los: Alle drei können den Ring vorweisen, aber keiner der drei kann beweisen, dass seiner "der Echte" sei.

"Lösung"

Hört auf zu streiten!

Mit dem Ring ist "der rechte Glaube" gemeint. Es ist völlig wurscht, welcher der drei Söhne - Juden, Christen oder Moslems - nun den "echten Ring" besitzt! Wichtig ist nur, dass der Vater (Gott) seine Söhne alle gleich geliebt hat. Also sollten sich auch die Söhne wie Brüder benehmen und nicht streiten. - Dasselbe gilt natürlich auch für Schwestern. ;-)

PS....

Der Ring sollte seinen Träger doch vor Gott und den Menschen angenehm machen, oder? Da sich die Brüder aber entsetzlich streiten, hat es den Anschein, als besäße keiner von ihnen den "echten" Ring (sondern alle drei Ringe sind demnach "falsch").

Hätte einer von ihnen den "echten" Ring, dann hätte er eine so offensichtliche, freundliche, natürliche Autorität, dass sich ihm seine Brüder von sich aus beugen würden.

Der "echte" Ring ging vermutlich verloren, und der Vater ließ, um den Verlust zu ersetzen, gleich drei neue Ringe von dem Künstler anfertigen.

Keine der drei verwandten Religionen kann sich demzufolge auf Gottes ausschließlichen Segen berufen. Und niemand hat die Wahrheit gepachtet, denn das, was man für *die* "Wahrheit" hält, kann aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, sehr falsch und "unwahr" sein!

Autorin / Autor: Stephanie Sellier / Redaktion - Stand: 17. September 2001