Obdachlose Mädchen

Wo sich junge Frauen, die auf der Straße leben, Unterstützung holen

Obdachlose Männer und Jungs sind ja kein so seltener Anblick in den Städten: Häufig betteln sie um "'nen Euro", man sieht sie auf Plätzen und in Parks zusammensitzen oder findet sie schlafend auf einer Parkbank. Frauen und Mädchen hingegen bieten einen selteneren Anblick unter diesen Grüppchen. Gibt es weniger obdachlose Frauen, oder halten sie sich nur nicht auf der Straße auf? Wir sprachen mit einer, die es wissen muss: Maria Peixoto arbeitet zusammen mit 11 weiteren Frauen im Düsseldorfer TrebeCafé, einer Einrichtung, die auf der Straße lebenden Frauen und Mädchen einen geschützten Raum bereit stellt, in dem sie sich ohne Männer aufhalten können.

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Wie werden Mädchen obdachlos?

*Maria*: Mädchen sind häufig "verdeckt" obdachlos, d.h. sie sind im Straßenbild nicht zu sehen, weil sie es häufig so organisieren, dass sie bei Freunden oder Bekannten unterkomnen können. Häufig endet dies aber in sexuellen "Gefälligkeiten". Die Männer wollen irgendwann (fast) immer etwas für das Wohnen haben, meist dann Sex. So rutschen die Mädchen dann häufig in die Prostitution oder beginnen Drogen zu konsumieren, um das Leben auf der Straße auszuhalten. Um dies zu finanzieren, prostituieren sie sich häufig. Besonders die Mädchen, die in ihrer Familie bereits Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch gemacht haben, finden dies als Lösung für sich. Manchmal denken sie: "Das kenne ich sowieso und jetzt bekomme ich wenigstens Geld dafür".

Warum laufen die Mädchen von zu  Hause weg?

*Maria*: Die Mädchen, die von zu Hause weglaufen, haben meist Erfahrungen mit Gewalt und sexuellem Missbrauch in der Familie. Dies ist häufig der Grund, es zu Hause nicht aushalten zu können. Einige der Mädchen laufen von zu Hause weg, weil es viel Streit gibt, die Mutter einen neuen Freund hat, der das Mädchen nicht akzeptiert und die Mutter nicht zu ihr hält, weil es Drogen oder Alkoholprobleme seitens der Eltern gibt, weil die Eltern oder ein Elternteil psychisch krank ist. Es gibt eine Menge Gründe, warum die Mädchen dann letztlich weglaufen, entscheidend ist häufig, dass bei Problemen niemand da ist, an den sie sich wenden können. Sie sich mit ihren Problemen und Ängsten alleine fühlen und die Situation für sie auswegslos erscheint.

Mädchen, deren Lebensmittelpunkt auf der Straße ist

Das TrebeCafé ist eine Einrichtung für Mädchen und junge Frauen (bis 26 Jahre), die ihren Lebensmittelpunkt auf der Straße haben. Zwar haben einige von ihnen eine eigene Wohnung oder sind noch bei den Eltern, aber meist schaffen sie es nicht, sich dort regelmäßig aufzuhalten (sie sind fast den ganzen Tag draußen unterwegs und schlafen oft auch nicht zu Hause).

Welche Mädchen kommen denn?

*Maria:* Viele der Mädchen, die ins TrebeCafé kommen, konsumieren mehr oder weniger süchtig Drogen oder Alkohol (THC, Amphetamine, Kokain, Heroin). Es gibt aber eine zunehmende Zahl von Mädchen, die nicht in die Kategorie der Drogenkonsumentinnen fallen. Diese zeichnen sich durch eine psychische Erkrankung aus (häufig Borderline, einige auch mit Psychosen). Wir haben den Eindruck, dass die Zahl der Mädchen mit psychischen Auffälligkeiten zunimmt.

Was passiert dort im Café?

*Maria:* In der Anlaufstelle bekommen die Mädchen eine sogenannte Grundversorgung (essen, trinken, duschen, Wäsche waschen und neue bekommen, Spritzen tauschen, Kondome bekommen und sich Wunden versorgen lassen). In den Öffnungszeiten können die Mädchen einfach kommen und sich im Café aufhalten. Entweder ausruhen oder mit den dort tätigen Sozialarbeiterinnen, Diplom-Pädagoginnen, Erzieherinnen und Studentinnen sprechen.

Wir verlangen von keiner Frau, dass sie an ihrem Leben etwas verändert. Sie kann zu uns kommen und weiter auf der Straße leben, wenn es das ist, was sie zur Zeit möchte. Wenn die Frauen etwas wollen, dann können sie von uns Hilfe bekommen. In Form von: Gesprächen, Unterstützung bei Ämtergängen (Anträge ausfüllen, Telefonate führen, Beratung bekommen) und auch Begleitung zu Ämtern oder Ärzten oder ins Krankenhaus. Wir bereiten mit den Frauen auch Gespräche mit dem Jugendamt vor und begleiten sie auch dort hin, wenn sie das wollen. Auch bieten wir Gespräche mit den Eltern an. Wenn die Frauen im Krankenhaus oder im Gefängnis sind, werden sie auch von uns besucht und wir halten Kontakt über Briefe und Pakete.

Alle diese Angebote sind freiwillig und anonym und die Mädchen müssen keine Voraussetzungen erfüllen, jede kann die Hilfe haben. Die Mitarbeiterinnen entscheiden immer nur mit den Frauen zusammen und machen nichts ohne ihr Einverständnis.

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Autorin / Autor: Rosi Stolz/ Maria Peixoto vom TrebeCafé - Stand: 4. August 2009