Konsum macht krank und einsam

Worldwatch-Bericht zur traurigen Lage der Welt

"Konsum ist für ein Viertel der Weltbevölkerung zu einer Selbstverständlichkeit geworden", sagte der Forschungsdirektor des Washingtoner Worldwatch-Instituts Gary Gardner, als er den Bericht "Zur Lage der Welt 2004 - Die Welt des Konsums" vorstellte. Nicht nur in den reichen Industriestaaten, sondern auch in Schwellenländern wie China und Indien wachse die "Konsumentenklasse" rapide. Bereits heute gehören 19 Prozent der Chinesen und 12 Prozent der Inder dieser 1,7 Milliarden Menschen umfassenden "Konsumentenklasse" an. Nur in Afrika südlich der Sahara sei der Konsum in den vergangenen zwei Jahrzehnten um 20 Prozent zurückgegangen. Dort müssen nach wie vor knapp drei Milliarden Menschen um ihre Existenz bangen.

*Schutzimpfungen statt Eiskrem*
Deutschland gehört zu den reichen und konsumfreudigen Ländern, die zusammen mit Nordamerika und den anderen Ländern Westeuropas 60 Prozent des weltweiten Konsums bestreiten. Für Eiskrem wird in diesen Regionen fast zehnmal soviel Geld ausgegeben wie nötig wären, um Schutzimpfungen für jedes Kind der Welt zu finanzieren. Und je mehr Menschen sich diesen Lebensstil leisten können - desto knapper werden die Ressourcen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Reinhard Loske, äußerte sich zur Studie: "Der Worldwatch-Bericht zeigt, dass unser Lebensstil auf Kosten anderer geht" und zudem betonte er die traurige Funktion, die Konsum bekommen habe - er habe im "Kapitalismus quasi religiösen Charakter." Auch der Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, betonte, der moderne Massenkonsum habe die ökologischen Grenzen auf breiter Front überschritten. Konsum sei für die "Konsumentenklasse" auf diesem Globus zur Selbstverständlichkeit geworden, während 2,8 Milliarden Menschen mit weniger als zwei Dollar pro Tag um ihre nackte Existenz kämpften. Der verschwenderische Lebensstil in den Industrieländern und den Ober- und Mittelschichten der so genannten Entwicklungsländer und Schwellenländer trage zur Zerstörung der ökologischen Lebensgrundlagen für die ärmeren Bevölkerungsschichten bei. Die Auswirkungen des Massenkonsums, in dem immer mehr immer billiger sein müsse, treibe die Welt in den ökologischen Ruin.

*Reich, dick, traurig*
Und der Lebensstil der Reichen und relativ gut Verdienenden hat noch andere Konsequenzen. Neben der systematischen Zerstörung der ökologischen Lebensgrundlagen wirkt sich der Konsum auch sozial und gesundheitlich aus: "65 Prozent aller US-Amerikaner sind stark übergewichtig, und der Anteil in anderen Ländern wächst" - auch dies ist ein Ergebnis der Studie. Immer mehr Menschen verschuldeten sich - ihre Freundschaften sowie Familienstrukturen zerbrächen.

*Was brauchen wir wirklich?*
"Ein neues Konsummodell ist möglich und machbar" fordern daher die Forscher des Worldwatch-Instituts. Dazu sei es nötig, dass die Regierungen aller Länder eine ökologische Steuerreform verabschieden. Außerdem seien Verpackungsgesetze sowie ein stärkerer Einsatz für qualitativ hochwertige, langlebige Produkte nötig. Auch müsse es zu einer neuen Verbraucherethik kommen. Es müsse künftig mehr um das persönliche Wohlbefinden statt um Wohlstand gehen. Gardner: "Wir müssen uns alle fragen, wann habe ich genug, und was sind meine Bedürfnisse?"

Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 4. Mai 2004