Lichtorgie im Gehirn

Warum wir im Winter mehr Schokolade essen

Rund elf Kilogramm Schokolade pro Jahr essen wir Deutschen im Durchschnitt - einen großen Teil davon wahrscheinlich zu Weihnachten. Was Schokolade und Zucker mit unserem Gehirn anstellen, kann mit modernen Messverfahren abgebildet werden. Dr. Swen Hesse vom Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB) für Adipositas-Erkrankungen in Leipzig ist ein Fachmann auf diesem Gebiet.

Schokolade macht glücklich, heißt es, aber nicht jeder glaubt daran. Doch es stimmt tatsächlich, und Dr. Swen Hesse kann das sogar sehen - auf Bildern, die er mit der so genannten PET, der Positronen-Emissions-Tomographie vom Gehirn machen kann. "In der Zeit um Weihnachten, wenn viel Zucker gegessen wird, kommt es zu einer richtigen Lichtorgie im Gehirn“, sagt der Facharzt für Nuklearmedizin. "Im Gehirn wird Zucker nämlich in Form von kleinen bunten Explosionen abgebildet", erläutert er.

Dr. Hesse und sein Team suchen Erklärungen für Essstörungen und Adipositas. Sie wissen, dass Vorgänge im Gehirn eines krankhaft Übergewichtigen anders ablaufen ab als bei einem Normalgewichtigen. Die dahinter stehenden chemischen Veränderungen sind jedoch teilweise noch wenig erforscht. Genau die untersucht Hesse in seinem Forschungsprojekt am IFB AdipositasErkrankungen. Ganz konkret beschäftigt er sich mit den Veränderungen bestimmter Botenstoffe, sogenannter Neurotransmitter. Sie sind zum Beispiel bei der Nahrungsaufnahme mit gefühlsmäßigen Reaktionen verknüpft.

Ein bekannter Botenstoff ist Serotonin. "Je mehr Serotonin vorhanden ist, umso besser ist unsere Stimmung. Die Vorstufe dieses Stoffes, das Tryptophan, ist in zahlreichen Lebensmitteln, etwa in Schokolade, Bananen, Fisch, Milchprodukten, Geflügel und Eiern enthalten", erklärt der Experte.

Stress macht dick

Darüber hinaus untersucht er noch weitere Botenstoffe: Cannabinoide (appetitsteigernd), Noradrenalin und Dopamin sowie appetithemmende Substanzen wie zum Beispiel Kokain. "Ohne Dopamin, Noradrenalin und Serotonin könnte unser Gehirn keine Informationen verarbeiten. Ihr individuell unterschiedliches Zusammenspiel schafft Zufriedenheit und mentale Balance", so Hesse. Die Wechselwirkungen all dieser Botenstoffe, steuern Appetit und Sättigung und sie bestimmen die Nahrungswahl. Er nimmt deshalb an, dass sich das Gleichgewicht zwischen den Botenstoffen auch in einer ausgeglichenen Ernährung wiederfinden muss – ganz nach dem Motto "der Körper holt sich genau das, was er braucht". So ist es umgekehrt durchaus vorstellbar, dass spezielle Diäten zu veränderten Konzentrationen dieser Stoffe führen könnten.

Essen und Fettleibigkeit hängen mit der Aktivierung bestimmter Hirnareale zusammen. Das hat die moderne Neurowissenschaft bereits nachgewiesen. Was das Essen im menschlichen Gehirn bewirkt, ist am deutlichsten im Hypothalamus erkennbar: "Das ist das für die Gewichtsregulation offenbar bedeutsamste Hirnareal", sagt Dr. Hesse. Außerdem veranlasst der Hypothalamus die Produktion des Stresshormons Cortisol, das uns in Gefahrensituationen mit Kampf oder Flucht reagieren lässt. Dauerstress, so weiß man heute, führt langfristig zur Gewichtszunahme, weil die Zuckeraufnahme des Körpers gestört ist und mehr Fette aufgenommen werden.

Zusammenhang zwischen BMI und Serotoninkonzentration

Einen weiteren Einfluss hat auch Tageslicht auf unseren Appetit. Im Winter essen wir darum mehr Süßigkeiten, was in den Tagen um Weihnachten "in einer wahren Licht- und Zuckerorgie gipfelt", so Hesse. Beides, Licht und Zucker setzen stimmungsaufhellendes Serotonin frei. Der niedrige Serotonin-Spiegel lässt sich in der dunklen Jahreszeit gut durch Zucker erhöhen. "Erste Auswertungen unserer Untersuchung deuten daraufhin, dass es in Abhängigkeit vom Body-Mass-Index (BMI) einen Unterschied in der Verfügbarkeit der Serotonin-Bindungsstellen gibt: Personen mit einem höheren BMI weisen mehr Bindungsstellen im Hypothalamus auf als Menschen mit einem normalen BMI.
Dies könnte Ausdruck eines Serotonin-Mangels sein, was bei Adipösen die erhöhte Zuckeraufnahme erklären würde", so Hesse.

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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 27. Dezember 2010