Schulstress kann krank machen

BLLV: Schule muss sich ändern!

Zahlreiche Studien belegen: Schulstress kann krank machen. Zumindest gilt er unter Experten als ein Grund, der Krankheiten bei Kindern und Jugendlichen auslösen oder manifestieren kann. Sie sind heute einer ganzen Reihe von Problemen und Gefährdungen ausgesetzt. Hinzu kommen familiäre Belastungen und ein immenser gesellschaftlicher Druck. „Die Angst vor dem sozialen Abstieg ist auch schon bei Grundschulkindern spürbar“, sagte der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Klaus Wenzel, in München. „Um diese extreme Stimmung aufzufangen und umzudrehen, müssen Schulen zu Orten werden, die dieser Entwicklung konstruktiv und produktiv begegnen und den Schülern helfen. Leider ist das Gegenteil der Fall: Schule wird wegen der schulpolitischen Vorgaben nicht als Ort der Hilfestellung, sondern als Ort der Selektion wahrgenommen. Wer nicht gut genug ist, kann gehen. Für viele Kinder und Jugendliche ist das extremer Stress. Sie werden krank.“ 

*Alkohol gegen Schulstress*
Beispiel Gymnasium: Prüfungsdichte, Stofffülle, Ganztagsbetrieb ohne Rhythmisierung - der Stress ist unverändert hoch. „Die Schüler sind nach ihren heftigen Protesten zwar wieder ruhiger, die Ruhe ist aber eher trügerisch. Ich werte sie eher als Indiz für völlige Erschöpfung und Resignation, sicher nicht als Einverständnis mit der Situation an ihrer Schule“, erklärte Wenzel. Gymnasiasten hätten weder Zeit noch Kraft für Proteste. Eine Studie der DAK und der Leuphana Universität Lüneburg vom Oktober 2010 lässt aufhorchen: Danach betrinken sich Gymnasiasten bundesweit häufiger als andere Schüler. Jeder dritte Gymnasiast trinkt regelmäßig Alkohol, an Haupt- und Realschulen ist es jeder vierte Schüler. Als Ursache wird erhöhter Leistungsdruck, als Risikofaktor erlebter Schulstress genannt. Bei den Schülern der Haupt-, Real- und Regionalschulen konnte dieses Motiv nicht nachgewiesen werden.

„Solche Ergebnisse müssen Grund genug für sofortiges Handeln sein“, forderte Wenzel und appellierte an die Kultusminister der Länder, sich umgehend mit dem Thema zu befassen. „Die Ursachen des exzessiven Alkoholkonsums unter Jugendlichen müssen beseitigt werden. Politiker können nicht tatenlos zusehen, wie sich junge Menschen kaputt trinken.“

Das Zentrum für angewandte Gesundheitswissenschaften der Leuphana Universität Lüneburg gab außerdem bekannt, dass jeder dritte Schüler unter Stress -Symptomen leidet. Einschlafprobleme, Gereiztheit sowie Kopf- und Rückenschmerzen plagen deutsche Kinder und Jugendliche am häufigsten.

*Angsstörungen und Depressionen*
Laut Forsa erhielten 50% aller schulpflichtigen Kinder schon einmal heilpädagogische Hilfe. Mindestens 10% der Kinder wurden psychotherapeutisch betreut. Der Anteil der verhaltensgestörten Kinder unter den Schulanfängern schwankt laut BELLA Studie zwischen 3,5 und 4% (Quelle: Magazin „Grundschule“, Westermann Verlag, Oktober 2010). Erst Anfang Oktober meldete die Techniker Krankenkasse (Bericht in der Abendzeitung vom 5.Oktober 2010), dass seit 2006 die Zahl der bayerischen Kinder, die in einer Psychiatrie behandelt werden mussten, stetig gestiegen sei: von 3400 auf 4200 Patienten pro Jahr. Bei den Jugendlichen hätten zuletzt 12 500 stationär behandelt werden müssen, 2006 seien es noch 9300 Jugendliche gewesen. Besonders viele Kinder litten an Depressionen. Die Gründe seien vielfältig, so die zitierten Experten. Sie nennen dabei aber auch immer große Belastungen in der Schule und/oder problematische Familienverhältnisse. Im November meldete die Techniker Krankenkasse Bayern, dass rund 26 000 Kinder unter zehn Jahren an speziellen Angststörungen leiden.

*Schule ändern statt Kliniken aufbauen*
„Die Lösung für diese dramatische Entwicklung kann doch nicht sein, möglichst gute Kliniken aufzubauen, so sinnvoll und wichtig das natürlich für die Betroffenen ist. Viel effektiver ist es doch, das Übel an der Wurzel zu packen“, sagte der BLLV-Präsident. „Wenn Schulstress ganz offensichtlich ein Faktor ist, der Kinder und Jugendliche krank machen kann, müssen sich die Schulen verändern.“ Im Mittelpunkt müssten die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen stehen, nicht die Vorstellungen der jeweiligen Politiker.

Wenzel: „Schule muss Lebensraum werden, ein Ort, an dem sich junge Menschen wohl fühlen und entfalten können. Schulen müssen integrieren, nicht ausgrenzen. Sie müssen Teilhabe und Perspektiven eröffnen, nicht Bildungswege zementieren. Sie müssen auch dort helfend und unterstützend eingreifen können, wo Elternhäuser versagen. Nur auf dieser Grundlage kann Lernen Freude bereiten und Motivation gedeihen.“

Der BLLV-Präsident appellierte an alle Eltern, mit dem BLLV dafür zu kämpfen, dass sich Schule in Bayern und in Deutschland grundlegend ändert.

Autorin / Autor: Pressemitteilung BLLV - Stand: 14. Januar 2011