Gescheiterte Kommunikation

Studie: Fremde verstehen sich oft besser als Paare

„Wir verstehen uns auch ohne Worte“, behaupten viele Paare. Bisherige Studien haben gezeigt, dass viele von uns tatsächlich die Gedanken der uns nahestehenden Personen lesen können. ForscherInnen der University of Chicago behaupten jetzt das Gegenteil und verkünden, dass Paare und beste Freunde sich oft genauso schlecht verstehen wie Fremde. Fehlinterpretationen scheinen bei Vertrauten an der Tagesordnung zu sein.

Diese Erkenntnisse ziehen die ForscherInnen aus einem Experiment, zu dem sie 24 Paare einluden. In einer spielerischen Gesprächssituation wurden jeweils zwei Paare mit dem Rücken zueinander auf Stühle gesetzt. Die PartnerInnen sollten dabei die zweideutigen Aussagen ihrer Geliebten entschlüsseln. Dies waren Sätze, die in normalen Alltagsgesprächen fallen könnten. Doch bei der Auswertung offenbarten sich einige Missverständnisse unter den Paaren. Beispielsweise sagte eine Frau zu ihrem Mann „es wird aber immer heißer hier drin“ als Hinweis dafür, dass die Klimaanlage ein bisschen höher gestellt werden sollte. Der Mann interpretierte diesen Satz allerdings als anzügliche Bemerkung.

Die Forscher erklären diese Fehlkommunikation damit, dass einander Vertraute glauben, sie verfügten über den gleichen Informationsstand. Ihren Partnern und Freunden gegenüber halten sie Erklärungen für überflüssig, wohingegen sie Fremden oft mehr Informationen bieten. Auch machen sich viele bei Freunden und Partnern nicht die Mühe, sich in das Gegenüber hineinzuversetzen, erklären die ForscherInnen.

Fremde verstehen sich wunderbar

Diese Annahme bestätigte ein zweites Experiment mit 60 Collegestudenten. Je zwei Studenten setzten die Forscher gegenüber. Sie waren durch eine Kiste mit mehreren Fächern getrennt, in denen sich Gegenstände befanden. Einige der Gegenstände waren für einen der Studenten nicht sichtbar. Dieser (der Sprecher) sollte seinen Partner darum bitten, eines der Objekte zu verschieben. Der Sprecher selbst wusste allerdings nicht, dass seine Anfrage in zweifacher Hinsicht interpretiert werden konnte. Wenn er nämlich eine Maus anforderte, hatte sein Gegenüber beispielsweise die Wahl zwischen einer Computermaus, die der Sprecher sehen konnte und einer Plüschmaus, die er nicht sehen konnte.

Waren die beiden Studienteilnehmer befreundet, zögerte der Partner länger, bis er der Bitte nachkam und anschließend intuitiv irgendeines der Objekte nahm. Kannten sich die Studienteilnehmer nicht, so wählte das Gegenüber sehr viel schneller das „richtige“ Objekt, nämlich das, das der Sprecher auch sehen konnte.

Das heißt, dass der „Fremde“ sich viel eher in den Sprecher hineinversetzte als der Freund. Der Fremde beachtete die Erkenntnis „Was ich weiß, unterscheidet sich von dem, was du weißt“. Der Freund des Sprechers missachtete hingegen oft die Tatsache, dass er nicht die gleichen Informationen wie er selbst erhalten hat.

Überschätzte Vertrautheit

Vor allem verheiratete Paare übermitteln ihre Botschaften oft nicht so eindeutig, wie sie es annehmen. „Menschen glauben, dass sie besser mit engen Freunden als mit Fremden kommunizieren. Diese Vertrautheit verleitet viele Leute dazu, die Kommunikationsfähigkeit zu überschätzen“, sagt Boaz Keysar, Psychologie-Professor an der University of Chicago.

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Autorin / Autor: Redaktion - Stand: 26. Januar 2011