Das Judentum im Unterricht

Kann es sein, dass ein Mensch aus der Schule entlassen wird und keine Ahnung von einer der größten Weltreligionen hat? Den SchülerInnen eines sächsischen Gymnasiums kann das nicht passieren!

Grundkurs Judentum

Schülerinnen und Schüler des Lessing-Gymnasiums in Döbeln, Sachsen, wird ein besonderes Angebot im Lehrplan gemacht: Sie können in der 11. Jahrgangsstufe einen 2-stündigen Grundkurs zum Thema "Jüdische Geschichte und Kultur" besuchen. Besonders ist dieses Lernangebot deshalb, weil einem ansonsten in den Regelunterricht integrierten Thema ein eigener Kurs und damit eine ungleich höhere Anzahl von Unterrichtsstunden gewidmet ist. Die SchülerInnen lernen aus dem Grund außergewöhnlich viel zum Judentum und können ihren Wissensstand sowohl in die Breite als auch in die Tiefe ausbauen. Einen ausführlichen Einblick in das, was in dem Grundkurs auf dem Stundenplan steht, bietet die eigens entwickelte Website.

Ein tiefer Einblick in die Materie

Um es gleich vorwegzunehmen: die Site ist beeindruckend, weil informativ, detailliert, umfassend und mit Herz und Verstand gemacht! In den drei großen Themenblöcken Geschichte, Religion und Persönlichkeiten werden verschiedene Aspekte zum Judentum präsentiert. Die einzelnen Unterrubriken bestechen durch ihre inhaltliche Fülle, die einen tiefen Einblick in die Materie geben. Sämtliche Texte der Site sind von den SchülerInnen des Kurses verfasst und mit Bildern angereichert worden, die auf diese Weise nicht nur ihr eigenes Lernen dokumentieren, sondern auch andere daran teilhaben lassen.

Im Unterschied zum regulären Geschichtsunterricht kommt in der Rubrik Geschichte nicht allein die Zeit der Judenverfolgung während der NS-Zeit zur Sprache. Vielmehr wird hier deutlich, dass die Geschichte der Juden nicht gleichbedeutend ist mit Holocaust und Israel - ein Eindruck, den SchülerInnen sonst durchaus in der Schule vermittelt bekommen. Hervorzuheben ist der Teil, der dem Leben nach 1945 gewidmet ist, denn viele Geschichtsbücher und damit auch LehrerInnen suggerieren, dass nach dem Zweiten Weltkrieg das jüdische Leben in Deutschland ein Ende gefunden hätte. Auch dem regionalgeschichtlichen Aspekt wird Rechnung getragen, wodurch zum einen eine Identifikation von Sachsens SchülerInnen erreicht und zum anderen deutlich wird, dass Juden eben nicht immer nur "woanders" gelebt haben.

Eine wichtige Rubrik ist die Religion, da dort die Basis zum Verständnis des Judentums und der Juden gelegt ist. Persönlichkeiten aus Geschichte, Wissenschaft und Kunst werden vorgestellt, Frauen wie Männer, aus Geschichte und Gegenwart, und besonders freut es, dass Imre Kertesz in diesem Katalog bereits vor seinem unübersehbaren Einzug in die Weltliteratur (Nobelpreis 2002!) Einzug gefunden hat. Eine Übersicht mit den wichtigsten Schlagworten macht es dem User/der Userin leicht, gesuchte Inhalte zu finden. Bildreihen zu verschiedenen Bereichen, Lückentexte, Links und ein Literaturverzeichnis bieten LehrerInnen eine gute Informations- und Inspirationsquelle nicht nur für den Unterricht. Wer von der Site derart angeregt ist und selber einen solchen Grundkurs an seiner Schule initiieren möchte, findet eine ausführliche Darstellung des Kurskonzeptes, das u.a. die Ziele, den Stoffplan und die Bewertungsmodalitäten erläutert.

Eine Site mit Aufforderungscharakter

Die Website zum Unterrichtsprojekt Grundkurs Judentum des Lessing-Gymnasiums Döbeln bietet SchülerInnen und LehrerInnen viele Anknüpfungspunkte für die eigene Arbeit. Diejenigen, die noch keinerlei oder nur sehr vage Kenntnisse zum Judentum besitzen, können diese Wissenslücke hiermit schließen und diejenigen, die zum Judentum bereits einiges wissen, werden hier sicher Neues entdecken. Sowohl für die Etablierung eines Grundkurses zum Judentum in der Oberstufe als auch für die Website ist dem Lessing-Gymnasium ein großes Kompliment zu machen. Bleibt nur der Wunsch, dass beide Projekte Inspiration für andere Schulen sein mögen...

Autorin / Autor: Natascha Bleckmann - Stand: 1. Januar 2003