Jungs sind anders – Mädchen auch

Typisch Junge, typisch Mädchen? Gar nicht so einfach, wenn man mal nachfragt…

Das ist mal wieder typisch! Am Wochenende war Luisa mit Jan-Lukas noch im Freibad, jetzt tickert der 15-Jährige der 13-Jährigen per SMS, dass er mit ihr Schluss mache. Angeblich hat er es sich anders überlegt. „Er will noch keine Freundin haben!“ beklagt sich Luisa und versteht die Welt nicht mehr. Dabei war es doch so romantisch, abends, auf der Wiese – und der erste Kuss war auch gar nicht so eklig.
Typisch Jungs, sagt Luisas Mama Karin. Die 43-jährige meint, Männer seien doch alle gleich – egal ob 15 oder 45, so wie Luisas Papa, von dem Mutter und Tochter getrennt leben. Männer seien unzuverlässig und untreu, egoistisch und emotionslos. Luisa hofft, dass sich ihre Mutter irrt. „Meine Mama ist enttäuscht, aber ich glaube, es gibt auch nette Jungs“, meint das Mädchen aus Bremen.

*Männer sind hart, Frauen sind weich?*
„Natürlich gibt es nette Jungs. Es gibt zwar typisch männliches und weibliches Verhalten, aber die Geschlechterrollen wandeln sich“, sagt die 55-jährige Selen Tholen. Die Mediatorin aus Bremen hat sich viele Jahre mit dem Thema Geschlechterrollen befasst. Das sind diese Verhaltensweisen, von denen wir glauben, dass es typisch für ein Geschlecht ist. Wir lernen von unseren Eltern, Großeltern, in der Schule und durch Medien, wie Männer und wie Frauen zu sein haben. Und das kann manchmal ziemlich widersprüchlich sein.
Demnach müssen Männer hart, aggressiv und stark sein, sie dürfen keine Gefühle zeigen, sind an Technik und Fakten interessiert. Frauen dagegen sind einfühlsam, gefühlvoll, plaudern gerne und können nur wenig für Technik oder Sport abgewinnen. „Das ist anerzogen. Wir werden nicht als Mädchen geboren, wir werden dazu gemacht“, schrieb die Soziologin Ursula Scheu schon 1977 in ihrem gleichnamigen Buch. Die Geschlechterrollen sind demnach abhängig von der Kultur, in der man lebt. So haben es die Frauen und Mädchen in muslimischen Ländern sehr schwer. In manchen Ländern sind Frauen dem Mann gegenüber nicht gleichberechtigt. Sie dürfen nicht das tragen, was sie möchten, sie dürfen nicht wählen gehen und auch nicht die Berufe erlernen, die sie möchten.

*Geschlechterrollen verändern sich*
„In Deutschland sind wir extrem weit. Die jungen Mädchen heute sind eigentlich gleichberechtigt. Und die jungen Männer auch“, meint Selen Tholen beobachtet zu haben. Dass junge Väter wie selbstverständlich den Kinderwagen schieben – das war in ihrer Jugend fast undenkbar, so die 55-jährige. Die Geschlechterrollen sind also wandelbar und verändern sich.
Heute ist es für Mädchen und Frauen nicht mehr undenkbar, im Beruf erfolgreich zu sein. Eine Bundeskanzlerin ist genauso normal wie eine Frau an der Spitze eines Weltkonzerns. Trotzdem wird bei den Frauen noch genau hingesehen, wie sie aussehen. Aber auch bei den Männern wird besser hingesehen. Heute kann auch kein Mann mehr im Fernsehen als Moderator arbeiten, wenn er nicht dem Schönheitsideal entspricht. Ausgleichende Gerechtigkeit? Dafür können Männer heute Erziehungsurlaub nehmen und als Hausmann arbeiten – ohne gesellschaftlich geächtet zu werden.

*Beruf: Hausmann und Papa*
Einer dieser jungen Väter ist der 38-jährige Andreas. Er ist alleinerziehender Vater. Sohn Max (13) wollte nach der Scheidung seiner Eltern lieber zum Papa. Mutter Heike hat es beruflich nach Süddeutschland verschlagen, Vater und Sohn blieben in Hamburg zurück. „Bei meinem Vater fühle ich mich wohler. Bei Mama ist es auch schön. Aber hier habe ich meine Freunde und Papa ist immer da“, erzählt der Siebtklässler. Seit Max ein Baby war, hat sich sein Vater um ihn gekümmert. Aus finanziellen Gründen blieb der Papa Zuhause und kümmerte sich um Haushalt und Kindererziehung. Für den 38-jährigen Andreas war es „eine ganz wundervolle Erfahrung, alles das tun zu können, was normalerweise die Mamas machen.“ Kochen, Putzen, bei den Hausaufgaben helfen, Vorlesen. Als Max in die Orientierungsstufe kam, begann Andreas wieder halbtags als Bürokaufmann zu arbeiten. Max findet es auch gar nicht komisch, dass bei ihm der Papa immer zu Hause war. „Ich finde das richtig gut. Wenn ich mal groß bin, kann ich mir gut vorstellen, das auch zu machen“, sagt der 13-jährige.

Fortsetzung

Autorin / Autor: Tina Groll - Stand: 18. Juni 2007