Pandemie verschärfte Cyber-Mobbing

Laut einer aktuellen Studie sind bundesweit mehr als 1,8 Millionen Schüler:innen von Cybermobbing betroffen

Beleidigungen im Klassenchat, Kränkungen per Messenger, Teilen von gemeinen Bildern und Texten - Cybermobbing unter Kindern und Jugendlichen scheint zum Dauerproblem geworden zu sein. Inzwischen sind bundesweit mehr als 1,8 Millionen Schüler_innen davon betroffen. Das zeigt die aktuelle Studie "Cyberlife IV - Cybermobbing bei Schülerinnen und Schülern", die das Bündnis gegen Cybermobbing in Kooperation mit der Techniker Krankenkasse (TK) vorgestellt hat. Demnach ist der Anteil der Kinder und Jugendlichen zwischen acht und 21 Jahren, die nach eigenen Aussagen schon einmal von Cybermobbing betroffen gewesen sind, im Vergleich zur Vorgängerstudie von 2020 zwar leicht gesunken (2020: 17,3 Prozent), stagniert aber auf einem hohen Niveau. Im Jahr 2017, vor der Coronapandemie, lag der Wert noch bei 12,7 Prozent. Für die Befragung wurden von Mai bis Juli 2022 355 Lehrer_innen, 1.053 Eltern und 3.011 Schüler_innen bundesweit mit einer Onlinebefragung zum Thema Mobbing und Cybermobbing befragt.

Cybermobbing ist ein Dauerproblem an Schulen

"Die Ergebnisse zeigen, dass Cybermobbing sich zu einem dauerhaften Problem an Schulen und im privaten Umfeld der Kinder und Jugendlichen entwickelt hat. Die Folgen von Cybermobbing werden in unserer Gesellschaft immer noch unterschätzt und die Täterinnen und Täter müssen mit keinen Konsequenzen rechnen," sagt Uwe Leest, Vorstandsvorsitzender des Bündnisses gegen Cybermobbing.

Die Coronapandemie hat das Problem offenbar noch verschärft. So gaben rund sieben von zehn Schüler_innen an, dass Cybermobbing seit Corona zugenommen hat. Auch 46 Prozent der Eltern und Lehrkräfte teilen diese Einschätzung. Verursacher seien Homeschooling und Kontaktbeschränkungen in der Coronapandemie, so Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK. Das habe dazu geführt, dass Kinder und Jugendliche noch mehr Zeit online verbringen und sie Konflikte häufiger über das Internet ausgetragen hätten.

Cybermobbing geht auf die Psyche

Und das hat für Betroffene oft gravierende gesundheitliche Folgen. "Neben körperlichen Beschwerden wie Kopf- oder Magenschmerzen sind es vor allem die psychischen Auswirkungen von Mobbing und Cybermobbing, die Kinder und Jugendliche schwer belasten können. Dazu gehören beispielsweise Angst- und Schlafstörungen sowie Niedergeschlagenheit oder Depressionen", so Baas.

Das zeigt auch die Studie: So fühlten sich die Opfer von Cybermobbing vor allem verletzt, wütend und auch ängstlich. Besonders alarmierend finden die Studienautor_innen, dass jede_r Sechste aus Verzweiflung schon mal zu Alkohol, Tabletten oder Drogen gegriffen hat und fast jede_r Vierte Suizidgedanken äußerte.

Um Mobbing und Cybermobbing entgegenzutreten, müsste viel mehr Prävention und Aufklärung stattfinden. Doch im Vergleich zu 2020 seien die schulischen Angebote in diesem Bereich stark zurückgegangen. Den größten Rückgang gab es mit jeweils 40 Prozent bei Schulungen, die gezielt Strategien zum Umgang mit Cybermobbing vermitteln, sowie bei Anti-Gewalt-Trainings.

Uwe Leest ist auch überzeugt davon, dass in vielen Fällen vor allem die Anonymität im Netz das Problem sei. Um das zu umgehen, fordert das Bündnis die Einführung eines ‚Klarnamens‘. Außerdem müsse die bisherige Präventionsarbeit verstärkt werden und bereits an den Grundschulen beginnen, damit Kinder den „sozialen Umgang im Internet“ lernen.
Auch Eltern sollten sich intensiver und frühzeitig mit ihren Kindern auf den Weg machen, um sich gemeinsam mit den Inhalten und Funktionsweisen des Internets und den Sozialen Medien auseinanderzusetzen. Kommunen, soziale Träger und Schulen sollten Eltern dabei mit konkreten Angeboten unterstützen.
Für die Betroffenen selbst wäre es ratsam, flächendeckende Mobbingberatungsstellen sowie anonyme Hotlines einzurichten, an die sie sich wenden können - in Schulen oder im sozialen Umfeld.
Von der Politik fordert das Bündnis ein Cyber-Mobbinggesetz, das es in Österreich schon seit 2016 gibt. Dazu müsse die Politik auch die personellen Voraussetzungen schaffen und beispielsweise Richter_innen, Staatsanwaltschaften und Polizeifachkräfte einsetzen.

Das Bündnis gegen Cybermobbing e.V.

Das Bündnis wurde im Juli 2011 gegründet und setzt sich aus Menschen zusammen, die persönlich von der Thematik betroffen sind, sei es beruflich oder privat und die gegen Cybermobbing und Gewalt im Netz angehen. In dem Netzwerk engagieren sich Eltern, Pädagog_innen, Jurist_innen, Mediziner_innen, Forschende und viele mehr. Es wird von Prominenten aus Politik, Sport und Medien aus dem In- und Ausland unterstützt und durch einen internationalen wissenschaftlichen Beirat begleitet. Das Bündnis klärt nicht nur über Cybermobbing auf, sondern fördert die Medienkompetenz in Schulen mittels Präventionskonzepten wie „Wir alle gegen Cybermobbing“ sowie Infoveranstaltungen und bietet Hilfe im Internet an. Des Weiteren unterstützt das Bündnis aktiv Vereine und Unternehmen bei der Prävention und Intervention von Cybermobbing.

Studienergebnisse zum Download und weitere Infos auf der Internetseite des Bündnis gegen Cybermobbing

Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 13. Oktober 2022