DER NEUE JOB

Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet

Er stoppte abrupt. Waren sie noch hinter ihm? Hatten sie ihn schon überholt und warteten auf der anderen Seite des Ufers? Er wusste es nicht. Er konnte nicht mehr denken, so schnell war er gerannt. Wie das alles nur passieren konnte…
„Was ist bloß aus mir geworden“ war sein letzter Gedanke, bevor er in den Fluten des Flusses untertauchte.

Es war ein rauer Herbsttag. Als er zum wiederholten Male aus dem Fenster sah regnete und stürmte es immer noch. Die Bäume bogen sich in dem orkanartigen Wind fast bis hinunter auf die Strasse auf der er fast permanent die Sirenen der Einsatzfahrzeuge hörte.
„Stellen sie sich mir doch einfach mal vor“  sagte die Frau, die ihm gegenüber saß und lächelte leicht. „Sie ist nett“, dachte er „doch streng sieht sie aus“.
„Ich habe bei der Telekom gearbeitet. War 30 Jahre dort beschäftigt, doch wegen mangelnder Arbeitsplätze wurde ich entlassen“, sagte er und versuchte einen Schmollmund zu machen,  achtete aber darauf nicht zu weinerlich zu klingen. „Gut, haben Sie denn auch viel Erfahrung im Kundenumgang?“ „Ja, ich wurde oft bei Beratungsgesprächen um Hilfe gebeten und die meisten waren sehr zufrieden“ er strahlte nun. „Das ist schön, denn Ihre erste Amtshandlung wird sein dem Kunden eine sehr positive Botschaft zu überbringen.“ Die Frau strahlte nun Ihrerseits. Zehn Stunden später war er auf dem Weg zu dem riesigen Bürogebäude mitten in der Innenstadt. Es hatte eine dunkelgraue Fassade, die in den kalten Farben des Himmels bedrohlich vor ihm aufragte. Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken, doch schließlich gab er sich einen Ruck und betrat die Empfangshalle. Die Atmosphäre kalt und düster - er fuhr in den 10. Stock, 2. Flur links, 5. Tür rechts. Oder war es die 6. gewesen? Er wusste es nicht mehr. Vor einer angelehnten Tür beschloss er kurz stehen zu bleiben und zu lauschen ob dies die richtige sei…
„…Sie müssen auch vorsichtig sein, Sie Trottel!“, brüllte ein Mann. „Sollten sie sich noch einmal eine solche Dummheit zu stehen kommen lassen werde ich sie ebenfalls beseitigen lassen.“ „Sehr wohl, Herr!“ erklang nun auch eine sehr verängstigte, unterwürfige Stimme. „Sorgen Sie dafür, dass die restlichen Gelder bei uns ankommen…“
Er drehte sich um, um auf die „richtige“ Tür zuzugehen, doch der graue Fliesenboden ließ seine Schritte laut durch den immer dunkler werdenden Flur hallen. In dem Raum mit der angelehnten Tür wurde es leise. Es herrschte Grabesstille. Die Tür ging knarrend auf, während er zu laufen begann. Ein Mann mit strenger Miene und einem Revolver in der Hand trat auf den Flur als er um die Ecke bog. Er floh aus dem Gebäude, immer weiter in die Stadt bis er schließlich den Fluss erreichte, der nun, beständig fließend und düster vor ihm lag. Er war seine einzige Rettung.

Zur nächsten Einsendung

Autorin / Autor: Victoria und Luise, 16 Jahre - Stand: 15. Juni 2010