Warten

Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet

Sie wartet auf ihn, ihren Helden, darauf, dass er wiederkommt.
Sie geht zur Haustür, lehnt sie an, verspürt Hunger.
Geht in die Küche zum Kühlschrank, als sie ihn öffnet, läuft ihr ein Schauer über den Rücken, ihr wird schlecht vom Geruch des Essens. Sie wendet sich ab, läuft ins Badezimmer, übergibt sich. Niemand, der ihr hoch hilft, denn er ist nicht da.
Sie rappelt sich hoch, schlendert ins Wohnzimmer und wirft sich in den Sessel. Grau ist er, mausgrau, nicht schwarz, nicht weiß, nicht bunt, nur grau, wie der Rest. Sie greift zu einem Buch, schlägt es auf, irgendwo, beginnt zu lesen, eine Geschichte, die sie nicht kennt, die ihr offen steht.
„Weißt du wie der Himmel aussieht?“ „Nein, wie denn?“ „ Als hätte sich die Sonne mit offenen Pulsadern in eine Badewanne gelegt und der Mond würde ihr lachend dabei zusehen!“ „ Ihh! Du bist eklig!“
Sie versucht sich vorzustellen, wie es ist, wenn sich das Wasser um einen herum langsam rot färbt, das Grau der Wanne verdrängt, wie die Kraft langsam weicht, der Körper, der Geist friedlich wird.
Sie steht auf, geht wieder zum Kühlschrank, diesmal wird ihr nicht schlecht, und nimmt die Weinflasche aus der Schranktür. Sie setzt an und trinkt. Die Haustür klappert von einem Windzug, klappert und fällt doch nicht zu. Sie lächelt und genießt das Gefühl des brennenden Alkohols in ihrer Kehle, trinkt weiter, leert die Flasche.
Sie geht ins Bad, lässt sich Badewasser ein und zieht sich aus. Aus dem Spiegel schaut sie ein blasses Mädchen an, mit dunkel unterlaufenen Augen und fahlem Gesicht. Als sie an ihr herunter sieht entdeckt sie Narben. Sie muss gelitten haben, dieses Mädchen. Ihre Augen füllen sich mit Tränen des Mitleids. Dann steigt sie in die Badewanne und taucht einen Moment unter.
Sie malt Muster in ihren Arm, nicht tief genug, um ihr Leben zu rauben, aber tief genug um sie wieder empfinden zu lassen. Lächelnd streicht sie sich über die Arme und wäscht die roten Linien ab.
Als sie sich anzieht denkt sie wieder über ihn nach. Warum hatte er sie allein gelassen? Allein mit sich selbst und ihrem Leben.
Die Tür klappert wieder und kann doch nicht zufallen. Es kommt jemand… Oder nicht ?
Sie zieht einen dicken, schwarzen Pullover, eine schwarze Hose und schwarze Samthandschuhe an.
Dann geht sie zu ihm, setzt sich auf die Erde und lehnt sich an den kalten Stein.
Sie spricht mit ihm, doch er antwortet nicht.
Die Blumen, die sie auf dem Weg gepflückt hat, lässt sie auf dem Grab zurück.
Ein geschlossenes Kapitel.
Ein kalter Windzug und irgendwo fällt eine angelehnte Tür mit einem lauten Knall erschreckend leise zu.

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Autorin / Autor: Celine, 15 Jahre - Stand: 15. Juni 2010