Licht im Dunkeln

Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet

Ich liege im Bett. Sie warten immer bis ich im Bett liege. Danach dauert es noch ein paar Minuten. Sie denken ich schlafe. Tue ich aber nicht.
Langsam drehe ich mich zur Tür um. Wie immer in letzter Zeit, ist sie nur angelehnt und ein schmaler Lichtstreif durchschneidet das Dunkel, in dem ich liege. Das ist erst seit dem Tag so. Dem Tag, an dem es das erste Mal passiert ist. Oder an dem ich es das erste Mal bemerkt habe. Es hat angefangen und ich habe die Tür aufgemacht, nur einen Spalt, ein ganz kleines bisschen. Das war genug um alles mitzubekommen. Seit dem lasse ich die Tür immer nur angelehnt. Eigentlich will ich es ja gar nicht wissen. Eigentlich will ich schlafen und so tun, als ob das erste Mal nur ein böser Traum gewesen ist. Aber das kann ich nicht. Ich muss es einfach hören. Dann weiß ich alles, was am Tag an mir vorbeizieht, alles, was ich nie bemerkt habe.
So wie der Türspalt etwas Licht in mein Zimmer bringt, so bringt er auch ein wenig Erleuchtung in meine Welt, meine Unwissenheit. Ich würde lieber weiter im Dunkeln liegen. Heute dauert es länger. Vielleicht ist es ja ganz vorbei? Vielleicht muss ich es nie wieder hören? Meine Hoffnung wird vom einem leisen Zischeln zerstört. So fängt es an. Das Zischen einer Schlange, die kurz vor dem Angriff steht und ihr Opfer mit Giftzähnen durchbohrt.
Es geht weiter.
Das Fauchen einer wütenden Katze, die sich zum Sprung auf die Beute bereit macht. Danach das Bärengebrüll, das die Hiebe der grausamen Klauen ankündigt. Und zuletzt der Knall. Wie eine Pistole. Die Kugel, die durch den Körper schießt als wäre er kein Widerstand.
Es ist vorbei. Für heute. Morgen zum Frühstück ist alles wie immer, das Mittagessen vollkommen normal, am Abend dasselbe wie jeden Tag. Nichts ungewöhnliches.
Und in der Nacht beginnt es von Neuem.
Ich habe Angst, dass Papa irgendwann nicht mehr zurück kommt. Dass die zugeschlagene Haustür sich nicht wieder öffnet, kurz bevor ich aufstehe, damit ich von allem nichts mitbekomme.
Genauso groß ist die Angst, dass der Streit weitergeht. Dass ich jede Nacht hören muss, was sich Mama und Papa an den Kopf werfen.
Ich will, dass einfach alles wie früher wird. Aber die Tür ist offen, vielleicht nur angelehnt, aber trotzdem offen. Ich kann sie nicht mehr zuschlagen und das Licht aus dem Zimmer verbannen.

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Autorin / Autor: Jasmin, 15 Jahre - Stand: 15. Juni 2010