Zwischen zwei Türen

Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet

Im Haus meiner Großeltern gibt es einen Raum.
Ein Raum, wo eigentlich gar keiner ist.
Auf der einen Seite die eine Tür,
hinter ihr der Flur mit der gewaltigen Treppe.
Wir Kinder spielten immer auf ihr, bis uns ein Erwachsener runterjagte.
Auf der anderen Seite das Wohnzimmer.
Darin sitzen die Erwachsenen.
Sie sitzen um einen Tisch,
Kaffeetassen vor sich und Kuchen.
Und sie reden
Reden
Reden
Reden
Reden
Den lieben langen Tag lang.
In der Zeit rutscht man das Treppengeländer mindestens fünfhundertmal runter!
Und zieht sich genauso oft langsam wieder hoch.
Ich stehe in diesem Raum.
Zwischen den beiden Türen.
Beide sind angelehnt,
Fast zu, der Raum ist dunkel.
Nur leise Strahlen locken von beiden Seiten.
Mal blendet es von einer Seite,
dann will ich die Tür schnell zuschlagen.
Mal scheint das Licht auf einer Seite so sanft,
dass ich sie weit aufreißen und durch sie hindurch rennen mag.
Ich weiß, ich kann nicht ewig hier stehen bleiben.
Aber die warme Dunkelheit umfasst mich.
Kann ich nicht noch ein Weilchen hier bleiben?
Einfach stehen bleiben?
Von beiden Seiten hör ich meinen Namen,
jemand ruft mich.
„Komm wieder spielen!“
„Komm und setz dich zu uns!“
Ich will nicht spielen. Ich will nicht reden.
Ich will aber auch nicht hier stehen bleiben.
Ich weiß, dass das gar nicht geht.
Ich will irgendwas tun.
Aber was? Was?
Dieser Raum
ist mein eigener Freiheitskäfig.
In meinem Kopf raunt es zwar, dass ich mich entscheiden muss,
dass ansonsten ein Luftzug kommt und beide Türen zuschlagen lässt
und ich dann für immer hier stehen bleiben muss,
dass ich das dann auch nicht mehr wollen werde,
dass niemand ewig hier stehen bleiben kann,
dass ich mich entscheiden muss.
Aber noch nicht jetzt!
Ich bin noch nicht so weit.
Nur noch einen Moment.
Dann atme ich tief ein
und trete voll ängstlichem Mut
durch die Tür
in grelles, verheißungsvolles, schillerndes Licht.

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Autorin / Autor: Anna-Lena, 17 Jahre - Stand: 1. Juni 2010