Schön und gefährlich: Midnight

Einsendung zum Schreibwettbewerb "Eine angelehnte Tür" von Beltz & Gelberg und LizzyNet

Schon seltsam, was so ganz plötzlich passieren kann. Welche Zufälle sich nacheinander aufreihen, wenn das Schicksal ohne Vorwarnungen eintrifft und das ganze Leben auf den Kopf stellt.
Da muss man eindeutig die Nerven behalten um wieder alles dort hin zu bringen, wo es hingehört. Doch stelle man sich ein Leben vor, das immer ganz strukturiert abläuft. Ein bisschen langweilig, oder?
Bei mir läuft alles nach der Reihe ab. Morgens um 7Uhr stehe ich für die Schule auf. Der Rest des Tages verläuft nach dem Stundenplan. Daheim ist Lernen angesagt. Nachts schlafe ich, meistens aber auch nicht. Da bin ich draußen, genieße die kurzen Momente, in denen ich es geschafft habe aus dem Alltag auszubrechen. Es ist still und man hört nur die Stimme der Nacht.
Wie auch in dieser Nacht, als ich nicht einschlafen konnte und beschloss einen Spaziergang zu machen. Ich lief die Straße entlang bis ich am British Museum angekommen war. Es war ein unglaublich schönes historisches Gebäude. Ich kam öfters hierher, wenn ich Ruhe brauchte.
Ich kletterte die Treppen hoch und wollte mich gerade auf meinem Lieblingsplatz begeben, als ich die angelehnte Tür bemerkte. Neugierig öffnete ich die schwere Tür und lief vorsichtig rein. Mit meinem Handy durchleuchtete ich den Weg. Je weiter ich rein lief, desto kälter wurde es, was ich mir nicht erklären konnte. Plötzlich hörte ich leise Schritte. Schnell klappte ich mein Handy zu und verschwand hinter einer Säule. Die Halle war eiskalt. Ich bekam eine Gänsehaut. Meine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit und durch das Mondlicht konnte ich leichte Grundrisse erkennen. Vorsichtig lugte ich hinter der Säule hervor. Erkennen konnte ich nur eine männliche Silhouette. Er beleuchtete die Skulpturen mit einer Taschenlampe. Plötzlich drehte er sich um. Reflexartig verschwand ich wieder hinter der Säule. Der Junge hatte sich wieder den Statuen zugewendet.
Eine Weile überlegte ich, was ich machen sollte. Ich entschied mich für leise raus schleichen. Ich blickte hinter der Säule hervor. Doch er war nicht mehr da.
Ich drehte mich um und wollte gerade gehen, als ich in ein Gesicht blickte. Seine Arme drückten sich gegen die Säule und zwischen den Armen stand ich verängstigt. Mein Herz klopfte so stark, als würde es jederzeit herausspringen. Ich spürte seinen Atem auf meiner Haut. Ungewöhnlich kalt. Seine schwarzen Haare waren zerzaust. Seine anthrazitfarbene Augen blickten in meine. "Wer bist du?" fragte er. Seine Stimme war leise, kaum hörbar, aber dennoch gefährlich. "Layali", sagte ich. Ein leiser Ton kam heraus. Seine schmale Lippen verzogen sich zu einem Grinsen.
"Zac Dion. Was machst du hier?" fragte er mich mit seiner ruhigen Stimme.
"Das gleiche könnte ich dich auch fragen!" sagte ich stockend.
"Also ich suche nach etwas!" entgegnete er und so fing unser erstes Gespräch an. Ich verliebte mich in ihn. Meine Gedanken drehten sich nur um ihn. Tagsüber waren es die Gedanken und nachts die Träume. Er erzählte mir, dass er nach dem Mondstein suche, der lange in dem Besitz von seiner Familie gewesen sei. Danach saßen wir still nebeneinander. Das Einzige, was ich in dem Moment hoffte, war das diese Nacht für immer andauern wurde. Er hatte eine Ausstrahlung, die Gefahr signalisierte und während mein Gehirn mich aufforderte zu verschwinden, ließ mein Herz mich nicht bewegen. Wir trafen uns öfter, immer nur nachts.
Eines Tages saß mein Vater ermüdet auf dem Sofa. „Dad, ist irgendwas?“ fragte ich und setzte mich neben ihm.
„Versprichst du mir, dass du auf dich Acht gibst und dich nicht unnötig draußen herumtreibst.“, sagte er seufzend, „In dieser Gegend treibt sich ein gefährlicher Dieb herum. Er scheut sich nicht davor Geiseln zu nehmen und sie auch umzubringen, wenn es nötig ist.“
Ich nickte leicht. Bitte, nicht Zac!
Die Nacht brach ein. Ich brauchte einen kühlen Kopf. Ich schnappte mir meine Jacke und verließ das Haus. Plötzlich spürte ich etwas gefährliches. Ich bekam Angst. Noch nie zuvor hatte ich so etwas heftiges gespürt. Ich zitterte am ganzen Körper. Ich rannte, so schnell ich konnte. Als ich zurück blickte, war Zac dicht hinter mir. Ich sah nach vorne und erblickte das Museum vor mir. Ich stolperte die Treppen hoch bis ich die letzten Stufen erreichte. Ich bekam Seitenstechen von dem ganzen Rennen. Plötzlich wie aus dem Nichts stand er vor mir. Es gab keinen Ausweg. Durch die Angst verlor ich jegliches Gefühl in den Beinen und sank nach unten. Ich hoffte, er würde gehen und mich in Ruhe lassen. Aber er kam näher, immer näher.
Seine Lippen berührten meine. So weich und zart! Es dauerte nur ein paar Sekunden. Für mich kam es einer Ewigkeit gleich. Um mich herum war alles vergessen. Nur wir existierten. „Ich liebe dich! Ich könnte dich nie verletzen.“ sagte er hastig. Er blickte nach hinten und sah die näher kommenden Polizisten. Augenblicklich war er weg.
Ich liebe dich! Ich könnte dich nie verletzen. Das waren seine Worte.
Ein paar Tage später kam ein Anruf für meinen Vater. Er sollte kommen, sie hatten den Dieb umzingelt. Ich fuhr mit meinem Fahrrad schnell zu der besagten Stelle. Er dürfte nicht eingesperrt werden. Die ganze Brücke war mit Polizisten überfüllt und oben auf der Brücke stand Zac mit dem Mondstein. Ich quetschte mich durch die Menge zu ihm. „Zac, bitte tue nichts Unüberlegtes! Tu mir das nicht an! Bitte, ich flehe dich an! Wir können das erklären. Bitte komm runter.“ rief ich.
Traurig schüttelte er den Kopf. Ich weinte. „Bitte!“
Er wollte es nicht wahrhaben. Für ihn stand der Entschluss fest.
„Ich will nicht, dass du traurig bist.“ schluchzte ich.
„Dann sage mir das, was ich hören will.“ sagte er schiefgrinsend.
„Ich liebe dich. Seit wir uns zum ersten Mal gesehen haben, bist du ein Teil von mir. Egal was ich mache, denke, sage, ich muss immer an dich denken“, gestand ich, weinte und konnte nicht mehr aufhören, „dein Körper wird in tausenden funkelnden Sternen zerfallen und jeder der in den Himmel schaut wird sich in die Nacht verlieben.“
Er war weg.
Ich konnte ihn nicht aufhalten.

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Autorin / Autor: Sahar, 17 Jahre - Stand: 25. Mai 2010