Kurz vorm Kippen?

Forscher_innen warnen, dass selbst beim derzeitigen Stand der globalen Erwärmung gefährliche Klima-Kipppunkte überschitten werden können

Wenn die globale Temperatur mehr als 1,5°C über das vorindustrielle Niveau steigt, könnten mehrere Klima-Kipppunkte ausgelöst werden. Das ist das Ergebnis einer umfassenden neuen Untersuchung, die im Fachmagazin Science veröffentlicht wurde. Selbst beim derzeitigen Stand der globalen Erwärmung besteht bereits die Gefahr, dass im Erdsystem fünf gefährliche Klima-Kipppunkte (engl. Tipping-Point) überschritten werden - und die Risiken steigen mit jedem Zehntelgrad weiterer Erwärmung.

Klima-Kipppunkte betreffen sogenannte Klima-Kippelemente (englisch Tipping Element). Das sind Bestandteile des Klimasystems, die sich so verändern, dass sie eine ganze Reihe weiterer verheerender Folgen im Klimasystem nach sich ziehen. Dazu zählen zum Beispiel das Abschmelzen der Eisschilde in der Antarktis oder das Absterben des Amazonas-Regenwaldes. Die Forscher_innen haben 9 solcher Elemente identifiziert, die das gesamte Erdsystem betreffen, und sieben weitere, die tiefgreifende regionale Auswirkungen haben. Wird bei diesen Kipp-Elementen der Kipp-Punkt überschritten, dann können Veränderungen eintreten, die nicht mehr umkehrbar sind und immer weitere Veränderungen in Gang setzen. Das heißt, sogar wenn die Temperatur nicht weiter anstiege, würde ein Eisschild, ein Ozean oder ein Regenwald, sobald er einen Kipppunkt überschritten hat, immer weiter in einen neuen Zustand steuern.

Fünf der sechzehn Kipppunkte könnten bei den durch die globale Erwärmung schon heute erreichten Temperaturen ausgelöst werden, das betrifft beispielsweise das grönländische und das westantarktische Eisschild und das massive Absterben der tropischen Korallenriffe.

Die Forscher_innen warnen, dass die Welt aktuell bereits von einigen Kipppunkten bedroht ist und weitere möglich sind. Armstrong McKay, Hauptautor David Armstrong McKay vom Stockholm Resilience Centre, der Universität Exeter und der Earth Commission zeigt aber auch Handlungsmöglichkeiten: "Die Wahrscheinlichkeit des Überschreitens von Kipppunkten kann durch ein rasches Senken der Treibhausgasemissionen verringert werden, und zwar ab sofort."

Diese neue Analyse deutet darauf hin, dass die Erde bereits einen 'sicheren' Klimazustand verlassen haben könnte, wenn die Temperaturen eine Erwärmung von etwa 1°C überschreiten. Eine Schlussfolgerung der Untersuchung ist daher, dass selbst das Ziel des Pariser Abkommens der Vereinten Nationen, die Erwärmung auf deutlich unter 2°C und vorzugsweise 1,5°C zu begrenzen, nicht ausreicht, um einen gefährlichen Klimawandel vollständig zu vermeiden. Der Bewertung zufolge steigt die Wahrscheinlichkeit eines Kipppunkts von 1,5 bis 2°C Erwärmung deutlich an, mit noch höheren Risiken jenseits von 2°C.

Jedes Zehntelgrad zählt

Johan Rockström, einer der Autoren der Analyse, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung mahnt: "Die Welt steuert auf eine globale Erwärmung von 2-3°C zu. Damit ist die Erde geradewegs auf Kurs, mehrere gefährliche Schwellenwerte zu überschreiten, die für die Menschen auf der ganzen Welt katastrophale Folgen haben würden. Um gute Lebensbedingungen auf der Erde zu erhalten, die Menschen vor zunehmenden Extremen zu schützen und stabile Gesellschaften zu ermöglichen, müssen wir alles tun, um das Überschreiten von Kipppunkten zu verhindern. Jedes Zehntelgrad zählt."

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Autorin / Autor: Pressemitteilung idw / Redaktion