Warum Denken müde macht

Forschung: Bei geistiger Anstrengung entstehen Stoffwechselprodukte im Gehirn, die unser Denken und unsere Entscheidungsfähigkeit behindern können

Seid ihr müde und kaputt, wenn ihr stundenlang über einer Hausarbeit gebrütet habt? Obwohl ihr eigentlich die ganze Zeit auf einem Stuhl gesessen und euch körperlich nicht verausgabt habt? Forscher_innen um Antonius Wiehler wollten verstehen, was geistige Ermüdung wirklich ist und herausfinden, warum Maschinen ununterbrochen rechnen können und das Gehirn nicht. Ihre Hypothese: Wenn das Gehirn hart arbeitet, entstehen potenziell schädliche Sustanzen, die erstmal recycelt werden müssen, damit es weitergehen kann.

Um dies nachzuweisen, verwendeten sie die Magnetresonanzspektroskopie (MRS), um die Gehirnchemie im Laufe eines Arbeitstages zu überwachen. Sie untersuchten zwei Gruppen von Menschen: diejenigen, die viel denken mussten, und diejenigen, die relativ leichte kognitive Aufgaben hatten.

Dabei wurden vor allem bei den stark geforderten Denker_innen Anzeichen von Müdigkeit sichtbar: Diese Gruppe wies eine verringerte Pupillenerweiterung auf und neigte zu Entscheidungen, die typisch für müde Menschen sind. Die Forscher_innen hatten nämlich in einer früheren Studie zeigen können, dass Ermüdete sich eher für kurzfristige Belohnungen entscheiden, statt auf eine größere Belohnung zu warten. Grund dafür ist, wie jetzt auch die aktuelle Studie deutlich machte, eine Ansammlung von Glutamat in den Synapsen des präfrontalen Kortex. Glutamat ist ein lebenswichtiger Stoff, ein sogenannter Neurotransmitter, der unter anderem dann entsteht, wenn viel Information verarbeitet und viel gedacht werden muss. Er kommt auch natürlicherweise in Lebensmitteln vor und wird als Geschmacksverstärker (Mononatriumglutamat) eingesetzt. Es ist allerdings unklar, ob oral aufgenommenes Glutamat irgendwelche Auswirkungen auf die Prozesse im Gehirn hat. Hier geht es darum nur um das körpereigene Glutamat, das im Gehirn als Stoffwechselprodukt entsteht. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass ein Zuviel an Glutamat negative Auswirkungen haben kann.

Der präfrontale Kortex ist ein Bereich des Gehirns, der unter anderem bei Bewertungen und Entscheidungen eine Rolle spielt. Die Forscher_innen glauben, dass höhere Glutamat Werte in diesem Bereich es anstrengender machen, den präfrontalen Kortex erneut zu aktivieren - es fällt uns darum nach anstrengender geistiger Tätigkeit schwerer, Entscheidungen zu fällen und die kognitive Kontrolle zu behalten.

Es klingt kompliziert, lässt sich aber auf folgendes Ergebnis zusammenfassen: Denken macht nicht nur eingebildet müde, sondern es verändert sich tatsächlich etwas in unserem Gehirn, dass dazu führt, dass wir uns erschöpft fühlen. Dieser Zustand beeinflusst auch unsere Entscheidungsfähigkeit, wir neigen zu Entscheidungen, die nicht unbedingt die besten sind, aber weiteren Anstrengungen und Wartezeiten aus dem Weg gehen. Glücklicherweise gibt es einfache Mittel dagegen: Pause machen und schlafen. Denn es gibt gute Belege dafür, dass Glutamat im Schlaf aus den Synapsen entfernt wird, sagt einer der Autoren der Studie, Mathias Pessiglione. Und er empfiehlt, wichtige Entscheidungen nicht am Ende eines geistig anstrengenden Tages zu fällen.

Die Ergebnisse könnten helfen, in Zukunft starke geistige Erschöpfung mittels der Überwachung der Glutamat Werte zu erkennen, um beispielsweise einen Burnout zu verhindern. In künftigen Studien wollen die Wissenschaftler_innen außerdem überprüfen, ob sich damit auch die Entstehung bestimmter Krankheiten wie Depressionen vorhersehen lässt.

Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachmagazin Current Biology veröffentlicht.

Quelle:

Autorin / Autor: Redaktion / Pressemitteilung (eurekalert.org) - Stand: 19. August 2022