Junge Europäer*innen über Weltkrisen

Jugendstudie „Junges Europa 2022“ zu Klima, Krieg, Corona

Das vergangene Jahr hat nicht nur gezeigt, dass Corona uns wohl noch länger beschäftigen wird, hinzu kam auch noch die erschreckende Erkenntnis, dass Krieg sich auch mitten in Europa abspielen kann, wie der Überfall auf die Ukraine zeigte. Doch trotz Krieg und Pandemie: Junge Europäer_innen fühlen sich immer noch stärker durch den Klimawandel bedroht als durch die anderen Krisen, wobei ihnen auch die Themen Migration und Asyl wichtig sind. Außenpolitik und Verteidigung kommen für sie dann gleich danach. Das zeigen die Ergebnisse der sechsten repräsentativen Jugendstudie „Junges Europa“ der TUI Stiftung, die am 7. Juli in Berlin vorgestellt wurde. Das Meinungsforschungsinstitut YouGov befragte dazu im April 2022 mehr als 6.000 Menschen zwischen 16 und 26 Jahren in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland und Polen.

*Ängste vor Krieg in einem EU-Land nehmen zu*
Den Überfall Russlands auf die Ukraine sieht die Mehrheit der Befragten eindeutig als Zeitenwende an, also als grundlegenden Einschnitt, bei dem sich die Ordnung der Welt verändert. Vor allem in Polen, Deutschland, Italien und Griechenland empfinden junge Menschen ihn als persönliche Bedrohung. Fast die Hälfte der jungen Europäer_innen hält es für möglich, dass es auch in einem EU-Mitgliedsland in den nächsten zehn Jahren einen Krieg geben könnte.
Das löst bei vielen eine große Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität aus: 68 Prozent würden Geflüchtete im eigenen Land aufnehmen oder spenden, und 54 Prozent von ihnen würden akzeptieren, dass ihr Land anderen Ländern Waffen liefert, um dort Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen zu stoppen. Geht es dagegen an die eigene Geldbörse, sinkt die Großzügigkeit und viel weniger sind bereit, mehr zu zahlen für Benzin, Strom, Lebensmittel und Wärme.

*Bewertungen der EU*
Trotz des Krieges in der Ukraine wird die EU nicht in erster Linie als militärische Allianz wahrgenommen, sondern ist für die Mehrheit immer noch vor allem ein wirtschaftlicher Zusammenschluss, der für die meisten „absolut notwendig“ ist. Interessant dabei: in Deutschland sinken die Zustimmungswerte für die EU-Mitgliedschaft für das eigene Land, in Polen steigt sie hingegen.

*Klimawandel bleibt Thema Nummer eins*
46 Prozent glauben zwar, dass der Krieg in der Ukraine die Energiewende in Europa beschleunigt, fast ebenso viele finden aber, dass Atomkraftwerke länger in Betrieb bleiben sollten, um unabhängig von russischer Energie zu werden. Dahinter steht die Einstellung, dass Politik und Gesellschaft kompromissbereit sein müssten - besonders in Zeiten einer Energiekrise. Allerdings wünschen sich auch mehr als die Hälfte, dass die EU-Länder den Kampf gegen den Klimawandel höher priorisieren sollten als Energieunabhängigkeit oder Wirtschaftswachstum.

"Während in Deutschland, Frankreich und Großbritannien Umwelt- und Klimaschutz zu den wichtigsten Aufgaben sowohl der EU und der einzelnen Mitgliedsländer gehört, sehen junge Menschen in Spanien, Polen, Italien und Griechenland ausschließlich die EU am Zug. In diesen Ländern sind Themen wie Arbeitslosigkeit und Sozialpolitik für junge Menschen deutlich wichtiger. Aus der Jugendstudie wird klar, dass die Frage des Klimaschutzes weniger zwischen den sozialen Klassen einzelner Gesellschaften strittig ist, sondern vielmehr zu Spannungen zwischen den EU-Mitgliedern führt, deren Lebenssituationen und wirtschaftliche Kraft stark voneinander abweichen,“ erklärt Marcus Spittler von der Humboldt Universität Berlin, der die europäische Jugendstudie wissenschaftlich beraten hat.

*Freiheit*
Gefragt nach den wichtigsten Aspekten von persönlicher Freiheit antwortete ein Drittel, dass ihnen vor allem politische Meinungsfreiheit, Zugang zu Bildung sowie freie, gleiche und unabhängige Wahlen seien. Auch Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern wurde in den meisten Ländern als einer der wichtigsten Punkte genannt, wobei in Deutschland nur 15% der Befragten das Thema nannten. Für deutsche und polnische Jugendliche war zudem die Reisefreiheit unter den drei wichtigsten Aspekten von Freiheit.

*Pandemie-Stimmung*
Die Studie untersuchte auch die Befindlichkeiten im mittlerweile dritten Pandemie-Jahr, wobei sich heraustellte, dass nur noch ein Drittel unter den Bedingungen leidet (2021 waren es dagegen 52 Prozent). Die Mehrheit der Befragten in jedem Land – mit Ausnahme von Griechenland – gab sogar an, die Lebenssituation sei durch die Pandemie eigentlich gleichgeblieben. Ob es an den Lockerungen der Maßnahmen liegt oder daran, dass sich die Befragten an die Situation gewöhnt und sich mit den Auswirkungen auf das öffentliche Leben besser arrangiert haben, bleibt dahingestellt.
Was ihre Zukunftsaussichten angeht, sind die Jugendlichen allerdings 2022 weniger optimistisch. Mit wenigen Ausnahmen stiegen die pessimistischen Einstellungen in Bezug auf die persönliche Situation auf Rekordwerte. Noch nie seit 2017 wurden die eigenen Perspektiven von jungen Menschen so negativ bewertet, stellen die Studienautor_inenn fest. Ein Grund dafür könnte auch sein, dass mehr als drei von fünf Befragten angaben, dass die Pandemie ihre psychische Gesundheit beeinträchtigt hat.

*Europäische Gefühle in einem Wort*
Ein wirklich netter Teil der Befragung war, dass die Teilnehmenden aller Länder gebeten wurden, ihren momentanen Gefühlszustand in einem Wort zu beschreiben.

Hier die Ergebnisse, welches Wort am häufigsten genannt wurde

  • Deutsche
    "gut"
  • Französinnen und Franzosen
    "fatigué" (müde)
  • Italiener_innen
    "felice" (glücklich)
  • Spanier_innen
    "feliz" (glücklich)
  • Griech_innen
    "καλά" (gut)
  • Polinnen und Polen
    "dobry" (gut)
  • Brit_innen
    "content" (zufrieden)

Lest die ausführlichen Ergebnisse der Jugendstudie

Autorin / Autor: Redaktion/ Pressemitteilung - Stand: 8. Juli 2022