Auslandsjahr trotz  G8?

"Ich will ins Ausland, obwohl ich G8 habe." Chocoholic über eine Entscheidung, die die beste ihres Lebens war...

„Wir sind G8, da kannst du doch nicht ins Ausland gehen!“ So einen Satz, oder einen ähnlichen, musste ich mir, als ich mir überlegt habe, für 5 Monate nach Australien zu gehen, öfter anhören.
Ehrlich gesagt bin ich sehr froh, dass ich mir nicht in meine Entscheidung hineinreden lassen habe, denn diese Entscheidung war eine der besten meines Lebens.
Ich konnte so viele Dinge lernen, die man in der Schule einfach nicht lernen kann – eine andere Kultur, eine Sprache, wie sie wirklich gesprochen wird, Eigenständigkeit und einfach ein komplett anderes Leben, als es in Deutschland gelebt wird.
Allerdings habe ich G8 bisher als ziemlich stressig empfunden, da unsere Stufe (Q1/11 – erster G8 Jahrgang) besonders mit dem letzten G9 Jahrgang (12) verglichen wird. So schreiben wir zum Beispiel die gleichen Klausuren mit demselben Erwartungshorizont, wo unsere Stufe in 90 % der Fälle schlechter abschneidet, da uns einfach ein Stück Erfahrung fehlt. Diese Erfahrung kann man natürlich nicht ausschließlich durch ein Auslandsjahr machen, aber es ist ein schnellerer Schritt dahin.
Dadurch, dass man nun ab der 11 schon beginnt, Punkte fürs Abitur zu sammeln, kann man nicht mehr dann ins Ausland wie früher, sondern muss schon in der 10 gehen, wo man erst 15 oder 16 Jahre alt ist. Ab 15 Jahren ist in Amerika erst die Einreise zum Schulbesuch erlaubt, die meisten Organisationen nehmen auch erst Schüler ab 15 auf, mit der Begründung, dass die Schüler vorher noch nicht reif genug sind, eine Zeit lang so weit weg von zu Hause zu sein. Wenn man aber früher eingeschult wurde, zum Punkt der Abreise also noch 14 ist, fallen viele Organisationen weg und Amerika als Land sowieso, da dort keinerlei Ausnahmen gemacht werden.

An meiner Schule wurden die (erstaunlich vielen) Austausschüler bei Rückkehr so gehandhabt, dass bei einem ganzjährigem Aufenthalt ein Wiederholen der Stufe auf jeden Fall erforderlich ist. Wenn man allerdings nur ein halbes Jahr im Ausland bleibt, kann man meistens wieder in seine alte Stufe zurück, muss sich aber in den Stoff einarbeiten, wo viele Leute denken, dass dafür einfach keine Zeit ist; kaum wieder zu Hause, gibt es gleich schon Stress in der Schule. Davon lassen sich viele abschrecken. Aber es gibt doch bestimmt Freunde, die gerne ihre Hilfe anbieten und den verpassten Stoff, der nach fünf Monaten Ausland minus Herbstferien (bei manchen Ländern auch die kompletten Sommerferien) ohnehin noch nicht zu viel ist, nacharbeiten.

Eigentlich könnte man den Auslandsaufenthalt auch als eine Art Auszeit vom Stress bezeichnen, weil in vielen Fällen die Schule dort sehr viel einfacher und lockerer ist als in Deutschland. Wo man hier etwa 12 komplett theoretische Fächer hat, hat man im Ausland meistens um die 6 eher praktisch ausgelegte Fächer. Ich hatte "schweres" Mathe (was wirklich einfach war, obwohl ich normalerweise kein Mathe kann, weil wir das alles schon 2 Jahre vorher in Deutschland hatten), Englisch, Moderne Geschichte, Sport, Tanzen und Kochen. Allerdings kann man das nicht zu sehr verallgemeinern, denn es kommt auch sehr auf das Land und die Schulform, also öffentliche oder Privatschule, an.
Viele Leute sagen, dass sie, wenn sie 2013 Abi machen, das Jahr in dem eben der letzte G9er-Jahrgang und der erste G8er-Jahrgang in NRW zusammenfallen, nach dem Abi ins Ausland gehen und Aupair oder Work ’n’ Holiday machen wollen. Das ist natürlich auch eine tolle Möglichkeit, die Sprache zu lernen, die Kultur und die Eigenständigkeit zu erfahren, allerdings fehlt dann komplett der Aspekts des Schulgeists, der ein ganz anderer als in Deutschland ist; man macht viel mehr Sport und feuert seine Schule an, was hier an den meisten Schulen auf Grund von Zeitmangel nicht stattfinden kann.

Ich muss zwar sagen, dass viele gute Gründe gegen ein Auslandsjahr wegen G8 sprechen, aber insgesamt sollte man das Ganze auf eine lange Zeit sehen. So eine Chance, mal ein komplett anderes Schulerlebnis zu haben und so viele Dinge auf einmal zu lernen, bekommt man eher selten und ich denke, dass es sich auf jeden Fall lohnt – trotz G8.

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Autorin / Autor: chocoholic; - Stand: 26. Oktober 2011