Atomkraft? Nein danke!

In 21 Städten in ganz Deutschland wurde am 28. Mai gegen Atomkraft demonstriert. DieLinn war, wie 160.000 andere Menschen, dabei und berichtet

Ein Meer aus gelb, rot und grün. Menschen mit Bannern, Flaggen, Schildern, Luftballons, Buttons und Aufklebern wohin das Auge reicht. Manche kostümiert in Schutzanzug und Mundschutz. Eine ohrenbetäubende Lautstärke. Aufrufe, Sprechgesänge, Megaphone, Lautsprecher und eine Blaskapelle. Ein Gefühl von Gemeinschaft und verstanden werden. Fast 4.000 Menschen allein in Essen, die ein und die selbe Meinung vertreten: Atomkraft? Nein danke!

Anders kann man den 28. Mai kaum beschreiben. In 21 Städten in ganz Deutschland wurde am 28. Mai gegen Atomkraft demonstriert. Unter anderem in Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Essen, Freiburg, Dresden und vielen weiteren Städten. Insgesamt waren 160.000 (!) Menschen auf den Beinen, um lautstark auf sich aufmerksam zu machen. Das war der zweitgrößte Massenprotest gegen Atomkraft in der Geschichte des Landes!

*Und ich war dabei*
Du stehst auf einem Platz, schaust dich um und bist sprachlos. Um dich herum sind hunderte Menschen, die deine Meinung teilen. Die gegen Atomkraft sind. Die die Gefahren sehen, die diese Art der Energiegewinnung mit sich bringt. Die auch den Rest der Bevölkerung darauf aufmerksam machen möchten. Überall werden Flaggen geschwenkt, riesige Banner werden in die Luft gehalten und immer wieder kommst du mit Menschen ins Gespräch, die du noch nie zuvor in deinem Leben gesehen hast. Luftballons werden verteilt und Buttons an Jacken und Taschen festgemacht.

*Mit abschalten ist nicht Euer Gehirn gemeint!*
Neben der allgemein bekannten Demonstration, bei der die Menschen durch die Straßen ziehen, gibt es noch diverse Nebenprogramme. Vor dem Straßenzug versammeln sich alle auf einem großen Platz vor einer Bühne. Bands und Musiker, die sich offen gegen Atomkraft aussprechen, treten auf, singen Lieder zum Thema und sorgen für Stimmung. Diverse RednerInnen treten auf die Bühne und appellieren gezielt an Frau Merkel und die derzeitige Regierungsspitze. In Essen waren das beispielsweise Claudia Baitinger (BUND NRW), Andreas Meyer-Lauber Vorsitzender (DGB NRW) und Eckhard Stratmann-Mertens (Attac). Sie sprechen offen und ehrlich über die derzeitige Situation in Deutschland. Geben Beispiele und Lösungsansätze. Decken auf, wie viel Wahrheit über Fukushima wirklich vertuscht wurde und mit welchen Mitteln versucht wird, die Bevölkerung von der "guten" Atomkraft zu überzeugen.

Nun noch ein paar Eindrücke von  Eckhard Stratmann-Mertens von attac (nicht zwangsläufig wortwörtlich):
Es war 1986 möglich, alle Atomkraftwerke innerhalb von einem Jahr stillzulegen. Wieso sollte das jetzt nicht möglich sein? Wieso werden nach Fukushima 6 Jahre dafür geplant? Wieso soll - neben den 8 Atomkraftwerken die stillgelegt bleiben (Atom-Moratorium) - in die übrigen Atomkraftwerke Geld in die Nachrüstung investiert werden, wenn diese eh in 6 Jahren stillgelegt werden? Die Millionen Euro sollen eingespart werden und in erneuerbare Energiegewinnug investiert werden!

Derzeit liegen in Deutschland 13 von 17 Atomkraftwerken still. Nur noch 4 von 17 Atomkraftwerken sind augenblicklich in Betrieb. Wir erleben es, die Lautsprecher funktionieren und in den letzten Tagen hat nicht eine Birne geflackert, obwohl 13 Atomkraftwerke außer Betrieb sind. Ich fordere deswegen, nicht nur die 8 alten Atomkraftwerke einschließlich Krümmel müssen stillgelegt bleiben, sondern alle 13 derzeit stillgelegten Atomkraftwerke bleiben stillgelegt. Und die übrigen 4 Atomkraftwerke werden noch in dieser Legislaturperiode, aller spätestens 2013 stillgelegt! Damit nicht wieder eine Bundesregierung die Verantwortung auf die nächste schiebt, von der keiner weiß wer es sein wird.

*Das Problem am System ist das System*
Es ist brechend voll. An den Ständen am Rand des Platzes stehen Parteien und Organisationen. Die Grünen, die Linke, Greenpace. In der Menge werden Fahnen von attac geschwenkt, eine Frau die offensichtlich zu Courage gehört läuft vorbei und irgendwo flattert auch eine Flagge der Piratenpartei.
Ein ganzes Bündel Luftballons wird in den Himmel geschickt, beschriftet mit Appellen und Aufrufen. Sie ziehen vorbei an den Dächern der umliegenden Häuser, auf denen Kameramänner stehen und das bunte Treiben filmen. Überall stehen Polizisten, obwohl sie nicht nötig sein werden. Es geht nicht um aggressive und gewaltbereite Meinungsäußerungen, sondern nur um friedliche Proteste.

*Brecht die Macht der Stromkonzerne!*
Nachdem alle Menschen vorgesprochen haben, tobt die Menge. "Abschalten!" - "Jetzt!" schallt es im Kanon aus ihr heraus. Eine kleine Blaskapelle spielt ein Lied an, wandert von der Bühne zum Anfang der eigentlichen Demo und führt diese durch eine Gasse in die Essener Innenstadt. Abschalten. sofort. weltweit.

Du bist mittendrin. Du musst einfach mitmachen. Schreien, klatschen, in Trillerpfeifen pusten, hauptsache du machst auf euch aufmerksam. Du klebst Aufkleber auf Straßenschilder, drückst Passanten Flyer in die Hand und freust dich über jeden, der sich spontan dazu entschließt mitzulaufen.

Anti-Atomkraftdemo in Essen © dieLinn

*AKW's? Abschalten! Atommafia? Enteignen! Kapitalismus? Abschaffen!*
Der Weg führt zum RWE Tower nahe der Essener Innenstadt. Dort ist schon eine Bühne aufgebaut, Lautsprecher sind angebracht und alles wurde abgesperrt. Es sind doppelt so viele Menschen da, wie bei der letzten Demo am 2. April und so müssen alle zusammenrücken. Auf der Bühne sprechen wieder RednerInnen vor, diesmal der Sprecher von Block Brokdorf, Ricarda (Schulstreik gegen Atomkraft Dortmund) und Fabian (Initiative "Unser Hamburg - unser Netz"). Sie weisen auf Veranstaltungen in nächster Zeit hin, rufen auf aktiv zu werden und veranstalten eine kleine Probe für eine Sitzblockade.

*Hop hop hop – Atomkraft Stop!*
Alle jubeln. Die Menge stimmt den Rednern zu und zeigt dies lautstark. Immer wieder branden Sprechgesänge auf, in die alle mit einsteigen. Ein kleiner Junge, vielleicht 4 oder 5 Jahre alt, ruft von den Schultern seines Vaters "Atomkraft? Nein Danke". Das Gefühl zwischen diesen Menschen zu sein, ist unbeschreiblich. Es ist wie auf einem großen Konzert von einer bekannten Band oder in einem Fußballstadtion. Aber es steckt viel mehr dahinter. Jeder von uns hat die Hoffnung, mit seinem Protest etwas zu erreichen. Jeder von uns möchte dazu beitragen, dass die Welt für unsere Kinder genauso schön ist, wie für uns, wenn nicht sogar schöner.

Am nächsten Tag zu lesen, dass 160.000 Menschen in ganz Deutschland genauso gedacht, gefühlt und protestiert haben, ist beeindruckend. Ich bin stolz eine von ihnen gewesen zu sein. Ich werde weiter protestieren, aktiv sein und mich gegen Atomkraft aussprechen. Und ich bin mir sicher, dass noch viel, viel mehr Menschen so denken wie ich. Atomkraft? Nein danke!

Autorin / Autor: dieLinn - Stand: 30. Mai 2011