Bernd und Jörg

Einsendung von Timo Seiffert, 17 Jahre

Eines ruhigen Morgens saßen die Eichhörnchen Bernd und Jörg auf ihrer großen Eiche. Es war ein Morgen wie jeder andere auch. Die Vögel sangen, der Sommerwind raschelte sachte durch die Blätter und ein Specht hackte mit seinem spitzen Schnabel, mit der Suche nach Nahrung beschäftigt, auf einen Baumstamm ein.

Auch Bernd und Jörg faulenzten nicht. Fleißig sammelten sie Eicheln; zumindestens die wenigen Essbaren die verblieben waren. Es war ein grausam trockener Sommer gewesen. Von Jahr zu Jahr wurde es härter für die Beiden, genug Nahrung für die Wintermonate anzusammeln. Zwar waren diese milder geworden, aber unregelmäßiger Frost zehrte an der Kraft aller Pflanzen.

Mittags waren die Temperaturen schier unerträglich. Die Luft schien vor Hitze zu vibrieren und wie ein Schleier der Bedrückung über die Erdoberfläche herzufallen. So kraxelten Bernd und Jörg ihre Eiche mit graziöser Geschwindigkeit hoch, um dem wenigstens vorübergehend zu entkommen.

Während sie dort saßen, ihre Beinchen baumeln ließen und die Gedanken umherschweiften, merkten sie, wie ein anderes Eichhörnchen den Baum emporeilte. Es war merklich gestresst. Als sie sahen, wer es war, nämlich Gregor, gingen sie ihn an, empört, dass dieser sich in ihr Sammelgebiet wagte:

„Wie oft noch, Gregor“, zischte Bernd, „wir haben keine Nahrung für faule Eichhörnchen!“ „Genau!“, gab ihm Jörg Recht. „Und jetzt zieh Leine, bevor wir dir dein Fell über die Öhrchen ziehen!“ Völlig außer Atem entgegnete das abgehetzte Hörnchen: „Ihr versteht nicht, dafür bin ich nicht hier. Es ist viel ernster. Der Wald brennt!“

Bernd und Jörg blickten sich erst gegenseitig verdutzt mit ihren Äugchen an, dann brachen sie in lautes Gelächter aus. Ein Feuer? Hier? Im Wald? Angst blitze in Gregors kieselsteingroßen Pupillen auf. „Aber wenn wir hier im Wald sind“, entgegnete Bernd, „wo sind dann die Flammen? Der Rauch?“ Jörg war sichtlich genervt.

„Wenn das jetzt ein Trick ist, an unser hart erarbeitetes Futter zu kommen, kannst du dich auf etwas gefasst machen!“ „Frag doch die anderen Tiere. Was hätte ich davon, euch zu belügen?“ Gregors Stimme war die Verzweiflung klar anzumerken. „Na um unser Futter zu stehlen!“, rief das Duo im Chor. „Ich bitte euch doch nur, mir und den anderen Tieren beim Löschen zu helfen. Zusammen können wir dem Brand Einhalt gebieten, bevor der ganze Wald vom Flammenmeer verschlungen wird.“, flehte er die Beiden an.

„Du übertreibst“, nörgelte Bernd. „Die Anderen kriegen das bestimmt ohne unsere Hilfe in den Griff.“ „Genau!“, stieß Jörg aus. „Wenn es dieses Feuer überhaupt gibt! Rauch sehen wir immer noch keinen.“ „Und warum“, plapperte Bernd weiter, „sollten wir ein Feuer löschen, das wir gar nicht verursacht haben? In der Zeit, in welcher wir dieses erflunkerte Feuer löschen sollen, könnten wir auch einfach weiter Futter für den Winter sammeln.“ Gregor nahm einen letzten Funken Elan zusammen: „Aber wir müssen alle als Waldbewohner zusammenarbeiten, sonst gibt es gar keine Nahrung mehr! Ich bitte euch doch nur um Hilfe.“

Doch Jörg fauchte ihm entgegen: „Jetzt raff dich mal zusammen. Feuer im Wald ist doch ein ganz natürlicher Teil des Kreislaufs des Lebens.“ „Aber-“ „Dann geh doch zu den Eingeschleppten! Diese schwarzen, chinesischen Schmarotzerhörnchen. Wenn die mir meine Wintervorräte wegstehlen, dürfen die auch gerne das Feuer löschen. Und jetzt weg mit dir!“ Das Hörnchen baute seinen kleinen Körper bedrohlich auf. Gregor, nun mit eingeknicktem Schwänzchen und Öhrchen, fing seinen Abstieg an. Mit einem letzten „Okay, viel Erfolg noch.“, verabschiedete er sich.

Das Duo hingegen feierte sich siegestrunken: „Dem haben wir’s gezeigt, Jörg!“ „Hast du seinen Blick gesehen? So ein…“

Verzweifelt zog Gregor 7 Tage und 7 Nächte zwischen den Waldbewohnern umher. Doch keiner wollte dem einsamen Hörnchen helfen.

Und so wurde aus einer Glut ein brennender Busch, ein brennender Baum und schließlich wurde der herrliche Wald unaufhaltbar in nichts außer Schutt und Asche reduziert. So sollten nicht einmal die überlebenden Tiere noch Nahrung finden und würden den nächsten Winter nicht mehr erleben.