Ein besseres Gewissen

Einsendung von SP, 12 Jahre

„Schau mal Mama! Hier kann man voll gut runterrutschen“, rief die kleine Lilly. Das war 2014. Da war das Mädchen noch sechs Jahre alt. Sie war mit ihrer Familie auf Urlaub und machte einen Ausflug auf einen riesigen Gletscher. Das war so lange her…

Jetzt zählen wir das Jahr 2020, das heißt Lilly ist mittlerweile zwölf. Sie dachte noch oft an den Ausflug mit ihren Eltern auf den großen, vereisten Berg, da ihre Familie nicht sehr viele Ausflüge unternahm. Und dieser war einfach was ganz besonderes für sie. Auch ihrem kleinen Bruder Luke bedeutete der Urlaub sehr viel. Er war damals erst vier Jahre alt und nun zehn, dennoch kann er sich noch ganz genau an den Ausflug erinnern. Oft sehen sich die beiden Kinder Bilder von damals an, als sie im Schnee spielten und kleine Eiszapfen bewunderten. In der heutigen Zeit mussten sie immer hoffen, dass es überhaupt ein ganz kleines bisschen schneit. Und auch wenn sehr wenig Schnee vom Himmel rieselt freuen sich die Beiden und tollen draußen herum. Doch leider kamen diese Momente ganz selten. Es war einfach viel zu warm auf der Erde geworden. Eines Tages saß Lilly auf ihrer Fensterbank und schaute gelangweilt aus dem Fenster. Es war der 12. Dezember und es hatte immer noch nicht geschneit. Sie war so enttäuscht und traurig darüber. In dem Moment klopfte es an ihrer Tür. Ihre Mutter trat ein und setzte sich zu ihr auf die weiche und gemütliche Bank. Sie strich ihrer Tochter die Haare hinters Ohr und flüsterte leise und mit leuchtenden Augen: „Lock mal deinen Bruder aus seinem Zimmer und kommt bitte beide hinunter ins Wohnzimmer. Euer Papa und ich haben eine kleine Überraschung für euch.“ Lilly nickte aufgeregt und sprang auf um Luke abzuholen.

Als alle unten versammelt waren, begann ihr Vater zu sprechen: „Wir haben uns gedacht, da wir eure traurigen Gesichter aufgrund des fehlenden Schnees bemerkt haben, wir machen wieder einen Urlaub in die Berge.“ Lilly und Luke klappte die Kinnlade hinunter, denn sie wussten beide, was ihr Papa sagen wollte. Und genau das kam dann auch: „Wir fahren wieder ins selbe Hotel wie damals: zur weißen Pfote und zu den Gletschern. Die Kinder fielen ihren Eltern um den Hals und bedankten sich mehrmals dafür. Sie waren so glücklich über die Mittleilung und fragten mehrmals nach dem Abreisedatum. Es sollte gleich am nächsten Tag losgehen. Luke und Lilly strahlten und rannten sofort in ihre Zimmer, um ihre Koffer zu packen. Am nächsten Morgen fuhr die Familie Goldeneye schon sehr früh los. Luke und Lilly lasen beide auf der Rückbank zwei verschiedene Teile von Woodwalkers, ihr Lieblingsbuch. Die Mutter auf dem Beifahrersitz schlief und der Vater fuhr konzentriert die Straßen entlang. Als sie in Tirol, bei ihrem Hotel angekommen waren, sprangen die Geschwister hellwach und total aufgeregt. Sofort liefen sie mit ihren Koffern Richtung Rezeption, die Eltern, müde von der langen Fahrt, schlurften hinterher. Sie checkten ein, bekamen ein Zimmer zugewiesen und machten sich auf den Weg dorthin. Ihre Zimmernummer war 22, sogar dieselbe wie damals. Begeistert warf sich Luke aufs Bett, Lilly machte es ihm nach. Sie waren überglücklich, wieder hier zu sein.

Am selben Tag sah sich die Familie im Hotel um, ob sich viel geändert hatte. Ein wenig wurde in der langen Zeit umgebaut, aber es war noch fast alles dasselbe. Die Kinder bettelten ihre Eltern an, schon am nächsten Tag auf die Berge zu wandern. Diese bejahten die Frage und jauchzend und jubelnd sprang Luke im Zimmer herum. Beim Abendessen wurde alles für den folgenden Ausflug besprochen. Am Morgen wachten die jungen Familienmitglieder schon sehr früh auf. Lilly war zu aufgeregt gewesen um zu schlafen und war die halbe Nacht lang wach geblieben. Endlich ging das Erinnerungsabenteuer los. Mit der Gondel kamen die Goldeneyes oben an. Sie kauften vier Tickets für eine Führung, bei der man sogar fast auf den Gipfel kommen konnte. Ein junger Mann mit speziellen Schuhen, die an der Sohle spitze Zacken befestigt hatten. Er begrüßte die Familie sehr herzlich und überreichte ihr dieselben Sicherheitsmittel.

Gemeinsam kletterten sie auf den riesigen Berg. Es machte den sportlichen Kindern sehr viel Spaß, auch den Eltern gefiel es wirklich gut. Doch oben angekommen traf sie ein riesiger Schock. Der Schnee und das ganze Eis waren komplett zurückgegangen. Lilly kamen Tränen in die Augen und entsetzt sah sie ihre Mutter an. Auch diese sah schockiert aus. Die Goldeneyes wollten so schnell wie möglich wieder vom Gletscher, da dieser Anblick sie zu sehr an die heftigen Klimaprobleme erinnerte. Die Geschwister waren bis heute total enttäuscht darüber.

Von nun an waren sie sich ganz bewusst dabei, öfters mit dem Fahrrad oder zu Fuß von einem Ort zum anderen zu kommen. Die längeren Strecken absolvierten sie mit dem Zug oder Bus. Bei Familientreffen erzählten die Goldeneyes, wie toll es ist mit dem Fahrrad zu fahren und dass man sich dann auch sehr viel fitter fühlt. Sowohl in der Familie, als auch in den Schulklassen konnten sie mehrere Leute dazu begeistern, weniger mit dem Auto und mehr zu Fuß, mit Roller oder Fahrrad sich fortzubewegen. Auch beim Einkaufen achteten die Eltern sorgfältig darauf, immer eine Papiertüte zu verwenden und versuchten Plastik zu vermeiden. Seitdem hatten alle ein besseres und reineres Gewissen bei den Aktivitäten, die sie unternahmen.