Die Waldkapsel

Einsendung von Jonas Kirchmann, 13 Jahre

Teil 1 Wut

Ein Rascheln zerstörte den Frieden, der bis eben noch geherrscht hatte, ein rot-weiß befelltes Wesen huschte hinter einem Busch hervor und verschwand wieder hinter einem Baumstumpf. Mein Kopf sagte mir, daß es ein Fuchs gewesen war, der eben in seiner Höhle verschwunden war.
Ich blickte tief in die Schwärze des Fuchsbaus, die so dunkel war, daß sie sich auszubreiten schien, dann riss ich mich schlagartig los und schaute auf den Timer. Ich hatte nur noch 20 Sekunden, ich atmete noch mehrfach die frische Waldluft ein und prägte mir alles gut ein. Jedes einzelne Blatt, jeden Duft, jeden Baum betrachtete ich erneut, bis ich sicher war, daß ich mich später noch daran erinnern würde. Ich blickte in enttäuschter Erwartung in den Himmel, atmete tief ein und brach zusammen. 

Alles war dunkel, fast so dunkel wie der Fuchsbau, aber nur fast, denn ein kleiner Lichtspalt zerbrach das Dunkel und wurde immer größer, je weiter der Mann die Kapsel öffnete. Das Wasser, in dem ich schwamm, wankte hin und her, wenn ich mich bewegte. Ich stand auf und verließ wie in Trance die Kapsel, in welcher ich die letzte Stunde verbracht hatte, genauso wankend wie das Wasser. Ich ging der Umkleide entgegen und sah im Augenwinkel, daß die Kapsel mit neuem Wasser gefüllt wurde, der Mann eine Person aus der langen Schlange wählte und sie in die Kapsel brachte.

Als ich wieder zuhause in meinem minus Turm oder, wie es einige nannten „Erdkratzer“, war, fuhr ich sofort zur Ebene 8 in die Küche herab und ließ mir Essen geben. Seit ich in diesem „HAUS DER ZUKUNFT“ eingezogen war, hatte ich einen brandneuen Home Assistent. Er konnte beinahe alles. Da wohl den wenigsten bekannt ist, was ich mit „Haus der Zukunft“ oder „Erdkratzer“ meine, erkläre ich es besser: Ein Erdkratzer ist das Gegenteil von einem Wolkenkratzer: er ist nicht über- sondern unterirdisch. Wie es bereits auch andere Häuser schon vor Jahrzehnten hatten, hat auch er pro Etage nur ein Zimmer, das spart Platz und ist billiger, da bei den Grabungen Rohstoffe freigelegt und verkauft werden können.

Aber nun zurück zum Tag des Ereignisses. Als ich gerade aß, blickte ich zurück auf den heutigen Tag, ein toller Tag. Ich hatte endlich Tickets für die Waldkapsel bekommen, eine Kapsel, in der man in einen Wald zurück versetzt wurde, wie es ihn zuletzt vor zweihundert Jahren gegeben hatte. Ich dachte daran und erfasste, dass ich allein wegen der penetranten Werbung dort gewesen war. Dort, wo ich auch einfach so hätte hinfahren können und das vollkommen gratis. Ich wollte mir das sofort ansehen, bestellte ein selbstfahrendes Auto vor meine Tür, gab die Koordinaten ein, bei denen ich den Wald gefunden zu haben glaubte, und fuhr los.
Ich musste durch die gesamte Stadt, sah alles, was sie zu bieten hatte, und fand, sie sei perfekt. Von unfallfreien Straßen über problemfreie Versorgung mit allen Gütern und bester Sicherheit bis hin zur wirtschaftlichen Ausgeglichenheit, hatte sie alles zu bieten.
So weit war ich noch nie von meinen alltäglichen Routen abgewichen. Endlich sah ich in der Ferne die hohen Schatten der Bäume, bei denen mich das Auto herauslies. Ich erblickte ein Schild, das genau zwischen mir und der Mauer stand, die mich vom Wald trennte. Auf dem Schild standen Worte, die niemals mit einem Naturwunder, einem Phänomen der Erde, wie dem Wald in Verbindung gebracht werden sollten:
Achtung! Vergiftungsgefahr!

Der Wald war ein Ort, der Leben schenkte und beherbergte. Es konnte nicht sein, dass er Leben nahm. Ich ging durch die schwere Metalltür und erblickte das pure Grauen.
Das, was ich für majestätische Bäume gehalten hatte, waren Bohrtürme, die durch dicke Leitungen Öl pumpten. Während aus dem Boden grünes Gas aufstieg, blickte ich mich um und entdeckte die kümmerlichen, verkohlten Stümpfe, die die einstige Anwesenheit von Bäumen bezeugten. Der stille Frieden, der ein kleiner Lichtfetzen an diesem dunklen Ort gewesen war, wurde von dem Motor des Autos, das nun wegfuhr, zerbrochen. Tief einatmend wurde mir von dem aufsteigenden Gas unglaublich übel. Die Kapsel von einer perfekten Welt, in der ich mein bisheriges Dasein  verbracht hatte, wurde geöffnet und die Wahrheit fiel nun wie ein gleißender Lichtstrahl herein.

Zuhause angekommen, legte ich mich erschöpft in mein Bett und fragte mich wie ich das alles hätte verhindern können, als mir eine Idee kam, die vielleicht, nur vielleicht, wahr werden könnte.

Aus diesem Grund schreibe ich nun meine Offenbarung auf, um sie in einer Zeitkapsel mit zu nehmen in die Waldkapsel und dort zu verstecken.
Wer auch immer diesen Text findet oder auch nur liest, bitte glaube mir, sonst wird die Zukunft fürchterlich. Sorgt dafür, dass es der Natur gut geht und sie nicht durch Geld, Gier und Grausamkeit getötet wird. Sonst wird die Zukunft genau so dunkel wie der Fuchsbau.

*Teil 2 Veränderung*
Ich fand diese Aufzeichnungen in einem Fuchsbau, den ich im Wald entdeckte. Das Blinken der Kapsel fiel mir sofort ins Auge. Anscheinend hatte er es geschafft, die Zeitkapsel zu verstecken. Ich persönlich glaube ihm und seiner Warnung. Also werde ich mich ab jetzt dafür einsetzen, dass es auch in Zukunft noch derartige Wälder gibt, für die man weder Kapseln noch Tickets braucht.
Um dies zu erreichen, habe ich eine Organisation ins Leben gerufen, welche die Natur beschützt. Ich hoffe, dass sie stark wird, und um wenigstens einen Teil dieser Organisation in die Zukunft zu bringen, lege ich diesen Text wieder in die Zeitkapsel in den Fuchsbau.
Im Namen von VFZ.

Liebes Tagebuch,
heute fand ich diese Zeitkapsel. Natürlich suchte ich zuerst nach diesem VFZ am Ende des Textes. Es ist die Abkürzung für „Veränderung für Zukunft“. Das ist eine Gilde, die dazu beigetragen hat, daß wir nun eine perfekte Zeit haben, in der es sowohl den Menschen als auch der Natur gut geht, denn sie wurde gerettet!