Bindung Isaaks oder: Wie die Pelikan Mutter sich selbst auffrisst.

Einsendung von LIwie Langsamreichts, 20 Jahre

Denke, Denke, denke... ich denke ganz viel nach, aber ich komm einfach zu keinem Schluss... Außer, dass der Erde nicht geholfen werden kann, durch mein Denken. Ich denke, der Mensch hat schon ein bisschen zu viel gedacht. Da denkt er und denkt, aber im Grunde wird’s durch jedes Mal Denken ein wenig schlimmer. Natürlich nicht für mich und dich. Uns geht’s im Grunde genommen blendend. Jetzt sind halt wir dran, die hier auf der Erde wandeln, dran mit Denken. Und was denken wir? Dass endlich mal darüber nachgedacht werden soll, wie man das ständige Denken und Entwickeln und Forschen so gestalten kann, dass nicht die ganze Welt - ausgenommen wir, die wir reich sind - darunter leidet. Und was soll jetzt bei diesem ganzen Gedenke herauskommen? Wollen wir darüber nachdenken, wie es uns gelingen kann, dass unsere Enkel ein ähnlich gutes Leben haben wie wir? Nur in Bio-Leinen und Schafschurwolle gehüllt, in der Hand einen Apfel, der vom Baum stammt, der in dem Gemeinschaftsgarten wächst, der sich auf einer riesigen Wiese befindet, der von ein paar Rad- und Gehwegen durchzogen ist, aber auf der größten Fläche blühen Wildblumen und Kräuter, die man gemeinsam mit seinen Nachbarn zu Pesto verarbeitet, dass gut zu den Dinkelfussilli schmeckt, die wir aus dem Unverpacktladen um die Ecke haben? Denkst du manchmal dran? Und das soll für alle Kinder auf der ganzen Welt funktionieren? Und dadurch retten wir unsere Erde? Unwahrscheinlich. Ich denke - und das denke ich normalerweise nicht laut, denn was kann dabei schon rauskommen – ich denke, dass alles, was mit dem Schutz der Natur und folglich dem Abwenden des ungemütlichen Klimawandels einhergeht, zugleich ein Arbeiten gegen den menschlichen Wohlstand und Fortschritt ist. Ich denke, dass das Abwenden des verdammten Klimawandels damit einhergeht, unseren Kindern Annehmlichkeiten wegzunehmen, die uns selbstverständlich und wichtig sind.

Schaffen wir es die Zukunft, die wir uns für unsere eigenen Kinder wünschen, an Mutter Erde zu opfern? Wie Abraham, der seinen Sohn Isaak an seinen Gott opfern wollte? Kinderopfer wurden immer wieder zahlreich gebracht, so schwer kann das eigentlich nicht sein.

Ich denke, dass wir, um diesen Klimawandel abzuwenden, es schaffen müssen, die Erde und alle die darauf leben, als Kollektiv zu begreifen, als Einheit, in der nichts vom anderen unabhängig ist.

Ich denke trotzdem, dass das ein bisschen viel verlangt ist. Denn schließlich ist es doch unser natürliches, oberstes Ziel uns fortzupflanzen und unserer eigenen Brut das beste aller Leben zu sichern.

Von einer Selbstaufopferung à la Pelikan sind wir aber auf alle Fälle weit entfernt. Wir schlitzen uns zwar auf, aber aus lauter Gier, trinken wir unser Blut selbst.
Wir leben ja auch in einem Wirtschaftssystem, das davon abhängig ist, dass sich die einzelnen Mitglieder um jeden noch so hohen Preis selbst bereichern wollen. Und sei es die eigene Vernichtung.

Ich denke vor allem, dass meine Gedanken geprägt sind von Egoismus, Kapitalismus und Trägheit. Diese Mischung macht mich zu einer sehr schwachen Zugmaschine im Kampf für soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz.

So weit, so schlecht. Und nun? Am besten hoffen wir. Hoffen auf die nächste Generation. Auf Kinder, die fähig sind größer zu denken als wir. Dazu erzählen wir Ihnen am besten so wenig wie möglich von den Märchen, die von Gold und Silber, vom Haus mit Garten, von Urlaub weit weg, vom Campingbus, von schönen Schuhen, von vielen Kleidern, von einer Spiegelreflexkamera, von Fußballschuhen, von einem Pool, einem Boxspringbett, von einer Puppe - die Mama sagen kann, einem ferngesteuerten Auto, von der Holzeisenbahn, von einem Trampolin, von Kisten voller Spielzeug, von unseren Träumen handeln. Den die sind meistens nicht echt.

Wenn wir ihnen das alles verschweigen, dann werden sie uns vielleicht nicht verachten und endlich fähig sein zu denken.

Autorin / Autor: LIwie Langsamreichts, 20 Jahre