Klimaschutz ist schon ein bisschen wichtig

Einsendung von Nora Funk, 26 Jahre

Natürlich war Klimaschutz ein Thema. Aber Maria tat ja auch schon relativ viel: Obwohl sie letztes Jahr ihren Führerschein gemacht hatte, fuhr sie kaum Auto. Klar, ab und zu fuhr sie bei Papa mit. Aber der Umweg zur Berufsschule war ja nicht weit. Plastiktüten im Supermarkt kaufte sie nur noch, wenn die Waren beim besten Willen nicht mehr in ihre Tasche passten. Neulich hatte sie sich mit ihrer Freundin ein Sandwich gekauft. Die Verkäuferin hatte ihnen beiden eine Tüte geben wollen, aber Maria hatte abgewinkt. Sie hatte das Sandwich ihrer Freundin mit in ihre Tüte gepackt. So hatten sie immerhin eine Tüte sparen können, Greta würde sich freuen!
Wo sie in der letzten Zeit schon viel auf die Umwelt geachtet hatte, konnte sie sich den Traumurlaub jetzt auch wirklich gönnen. Vielleicht würde es der letzte gemeinsame Urlaub mit ihren Eltern werden. Wer konnte schon ahnen, wo es nach der Ausbildung hin gehen würde.
Maria war voller Vorfreude, nur der Koffer schien sich vorgenommen zu haben, ihr einen Strich durch die Rechnung zu machen. Er war einfach zu klein! Das geblümte Sommerkleid musste unbedingt noch mit, schließlich hatte Maria es extra für diesen Urlaub gekauft! Säuerlich setzte Maria sich auf den Koffer und zerrte den Reißverschluss zu.

Kisothan genoss kurz den Ausblick auf die Bergwelt seiner Heimat aus dem kleinen Fenster. Gleich musste er wieder nach vorn laufen. Von fern vernahm er schon Nilantis Stimme, die rief: „Kaffee für die Gäste an Tisch acht, bitte!“
Doch er tat einfach noch einen Moment so, als hätte er sie nicht gehört.
„Such dir eine Arbeit, bei der du mit dem Herzen dabei bist. Sonst wirst du nicht glücklich“, hatte sein Vater immer gesagt. Das war Kisothan leider nicht wirklich gelungen. Diese riesigen Bettenburgen verschandelten die wunderschöne Küstenlandschaft. Heute lag das Meer ruhig da, doch Kisothan kannte auch seine aufbrausende Seite, die einem Angst einjagen konnte. Er hatte das Gefühl, dass das Meer in seiner Kindheit weniger cholerisch gewesen war, als die meisten Leute einfach auf ihrem Kontinent geblieben waren. Aber was wusste er schon.
„Kisothan, bist du taub? Die Gäste an Tisch acht warten auf ihren Kaffee!“
Alarmiert lief Kisothan los, als hätte er diese Neuigkeit soeben erst vernommen.
An Tisch acht saß eine Familie mit einer fast erwachsenen Tochter, die sich freuten, so richtig verwöhnt zu werden. Das Mädchen trug ein auffälliges Kleid voll bunter Blumen. Kisothan hatte das Gefühl, dass sie ihn etwas länger musterte als notwendig und ihm sogar zuzwinkerte.
Doch er begnügte sich damit, den Kaffee abzustellen und die halb leeren Portionsverpackungen für Marmelade und Butter wieder mitzunehmen. Der Müll einer Familie nach dem Frühstück wirkte überschaubar. Doch Kisothan wusste, welche Berge sich auftürmten, nachdem alle gegessen hatten. Ob die Menschen zu Hause auch so verschwenderisch mit Lebensmitteln und Verpackungen umgingen?

„Ich kann einfach nicht mehr“, stöhnte Maria und schaute auf ihren Teller. Dort warteten noch ein Croissant und eine kleine Packung mit Marmelade darauf, gegessen zu werden. Sie hatte sich lieber etwas mehr zu essen geholt, um nicht ständig von ihrem Tisch mit Meerblick zum weit entfernten Buffet laufen zu müssen.
„Dann lass es doch liegen. Es gibt doch sowieso viel zu viel“, sagte ihre Mutter.
„Dann holen wir jetzt unsere Sachen und gehen runter an den Strand“, schlug ihr Vater vor.
Der Strand war einfach paradiesisch. Den ganzen Tag verbrachten sie dort. Maria ging ausgiebig im wunderbar warmen Meer schwimmen. Sie nahmen sich fest vor, am nächsten Tag eine Tour zu buchen, um zwischen den Korallen zu schnorcheln. Im Zuge des Klimawandels verschwanden leider immer mehr von ihnen, also wollten sie die Unterwasserwelt bestaunen, solange es ging. Schließlich war das auch ein Grund, weshalb sie sich zu einem Flug um die halbe Welt entschlossen hatten.
Erst als sie im Aufzug zu ihrem Zimmer waren, fiel Maria ein, was sie am Strand vergessen hatte. Ihre Sonnencreme, die sie zum Schutz vor dem Auslaufen in eine Plastiktüte gepackt hatte, musste noch neben ihrer Liege stehen. Doch ihre Eltern unterhielten sich bereits über die große Auswahl am Abendbuffet. Sie freuten sich darauf, gleich überpünktlich dort zu sein und all die leckeren Speisen gemeinsam in Augenschein zu nehmen. Also sagte Maria nichts.

Den Sonnenaufgang hatte Kisothan ganz für sich allein. Die meisten Touristen schliefen aus und begannen den Tag mit einem späten Frühstück, bei welchem er gleich kellnern sollte. Doch seine erste Aufgabe des Tages war es, den Strand zu säubern. Der frühe Morgen war nicht nur die ungestörteste Zeit am Strand, sondern auch die schmutzigste. Am Abend blieb vieles liegen, was die Touristen nun im Tageslicht erheblich stören würde. Hatte dort hinten jemand eine Flasche Sonnencreme stehen gelassen? Sie war ausgelaufen. Kisothan nahm sie hoch. Flecken waren auf dem Sand und tanzten am nahen Spülsaum.
Ein paar Meter weiter entdeckte er einen Steinklotz, der sich regte. Sofort erkannte Kisothan, dass es sich um eine junge Schildkröte handelte. Freudig ging er neben ihr in die Knie. Auch Schildkröten waren seltener zu sehen, seitdem die Menschenmassen den Strand bevölkerten.
Schnell bemerkte Kisothan, dass eine durchsichtige Plastiktüte der Schildröte aus dem Maul hing. Trauer durchflutete ihn. Vorsichtig zog er der Schildkröte das Plastik aus dem Mund, doch heraus kam nur eine zerrissene Tüte. Wenn sich der Rest der Tüte im Inneren der Schildkröte befand, sah es wohl nicht gut für sie aus.
Außerdem sollte sie wohl lieber nicht mehr auf dem Sand sein, wenn die Sonnenanbeter den Strand bevölkerten. Sanft nahm Kisothan die Schildkröte auf den Arm und setzte sie im knietiefen Wasser ab. Die Schildkröte breitete ihre Arme aus und schwamm mit langsamen, sicheren Zügen davon. Kisothan betete, dass sie es schaffen würde.

Autorin / Autor: Nora Funk, 26 Jahre