Weltuntergang

Einsendung von Yuanxin Lisa Zhang, 14 Jahre

Ein toter Lappen.
Wie ein verdammter toter Lappen hing die Frau aus dem Fenster, gurgelnd aussehend, Augen weit aufgerissen, die eine Hand das neuste brillante Handy umklammernd, als wolle sie eine Nummer wählen, die andere verzweifelt verkrampft am Fenster festhaltend.
Vergeblich.
Ich stand wie ein Geist an der Tür. Der klitschnassen Tür. Mein Körper war wie verschwunden, nur die Augen blieben noch, wobei ich mir in diesem Moment gewünscht hatte, ich hätte keine. Ich starrte mir die Augen aus dem Kopf, was qualvoll brennend schmerzte, noch am meisten schmerzte es innerlich, es war mehr als erschütternd, lähmend, zerreißend.
Diese tote Frau war meine Mutter.
Ich hatte es geahnt - doch nicht wirklich realisiert. Ich wollte es nicht realisieren. In der Schule hatten wir Glück, als die Sirenen plötzlich schlugen, hatten wir im obersten Stock Unterricht. Die Lehrer führten uns zügig auf das Dach, das glücklicherweise genug hoch war, um vor der Sturmflut sicher zu sein. Sie war wie aus dem Nichts gekommen – Es gab einen Anschlag auf die Sturmflutwache. Wieder. Als sich das Wasser wieder einigermaßen beruhigte, waren wir Schüler und Lehrer jedoch alles andere als beruhigt, völlig durcheinander hasteten alle hysterisch und fassungslos zu ihren Behausungen, einige zu ihren ehemaligen. Diejenigen, die von weit her kamen, hatten ein besonders schlechtes Los gezogen, öffentliche Verkehrsmittel konnte man komplett vergessen.
Während ich meine über alles geliebte, sich immerzu um mich kümmernde, nie ihre Überforderung zugebende, doch nun leblose Mutter ansah, schoss mir eines immer wieder durch den Kopf.
Was wäre, hätte man früher gehandelt? Er war schleichend gekommen, leise, heimlich. Jedoch gab es genug Menschen, die klüger als andere gewesen waren und es vorhersahen. Doch es gab eben auch Menschen, die es nicht einsahen. Oder nicht einsehen wollten. Und ein Großteil der Bevölkerung war. War es denn nun ihre Schuld, was mit der Welt geschah?
Ich begann zu zittern. Meine Schultasche, die ich zuvor fest umklammert hatte, fiel plötzlich und laut auf den wässrigen Boden. Ich zitterte immer mehr, meine Beine wurden kraftlos, meine Arme schlaff. Scheiße. Verdammte scheiße. Ich öffnete meinen Mund zu einem stummen Schrei, die Realisierung kam plötzlich und überwältigend. Mein Gesicht verzog sich zu einer verstörten Grimasse, ein bloßes Kieksen kam aus meiner Kehle, spitz und verzweifelt. Ich fiel quälend langsam in mich zusammen, noch immer nicht zum Schluchzen fähig. Erst als ich völlig zusammengekauert auf dem feuchten, kalten, künstlichen Boden saß, entwich mir der erste, unnatürliche Schluchzer. Was war nur geschehen? Wieso so plötzlich, so auf einmal, so überwältigend?
„Nein. Nein. Neinneinneinein.“
Ich raufte mir die Haare, mein Bauch krampfte sich zuckend zusammen, in meinem Hals bildete sich ein gigantischer Kloß. Er ließ mich würgen, aufkreischen. Ich schrie herzzerreißend. Ich schluchzte bitterlich. Ich flehte verzweifelt. Zu wem? Zu Gott? Nein, zu der Vergangenheit, der Verantwortlichen der Gegenwart und Zukunft. Noch immer unaufhaltsam schluchzend kroch ich langsam in Richtung meiner geliebten Mutter. Meiner geliebten Mutter, meiner über alles geliebten Mutter…
Was wäre bloß, wenn dies alles nicht geschehen wäre?
Tja, dann hätten wir uns wahrscheinlich weiter über die teuren Preise der allerletzten Ressourcen beschwert.


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Autorin / Autor: Yuanxin Lisa Zhang, 14 Jahre