Es ist Deine Entscheidung

Einsendung von Sophia Falk, 24 Jahre

Es ist gräulich. Trockener Sand knirscht unter meinen Füßen. Eigentlich ist alles nur noch staubig und trocken. Meine Lippen fühlen sich an, als ob sie jeden Moment aufplatzen. Ich kann durch den Staub in der Luft nicht besonders weit in die Ferne schauen. Um mich rum sehe ich nur flaches ausgedorrtes Land. Der einzige Farbtupfer ist die bräunlich aufgewirbelte Erde, die mit einer Windböe über den Horizont zieht und sich von der sonst durchgehend grauen Landschaft minimal abhebt. Den Himmel habe ich seit Wochen nicht mehr gesehen. Um atmen zu können, muss ich eine Sauerstoffmaske tragen. Ich kann sie nur in klimatisierten Häusern absetzen. Sobald ich durch die Schleuse nach draußen trete, herrscht Maskenpflicht. Ich brauche meine Maske damit ich atmen kann. Der CO2-Gehalt in der Atmosphäre ist vor einigen Jahren zu stark angestiegen. Kannst du dir vorstellen, wie unangenehm es ist jeden Tag mit Maske das Haus verlassen zu müssen? Du es aber tun musst und irgendwie auch willst, weil dein Überleben von dieser Maske abhängig ist?
Wenn ich Bäume sehen will, muss ich in die Stadt fahren und auf die riesigen Plasmabildschirme starren, die fast jede Hochhausfassade zieren. An einigen Straßenecken und Plätzen stehen Dreidimensionale LED-Bäume. Hinter den Bildschirmen verbergen sich CO2 - Filter mit der Hoffnung das Klima wieder in den Griff zu bekommen. Je nach Jahreszeit, werden die Bäumen auf den Bildschirmen angepasst. In der Weihnachtszeit sind es hauptsächlich festlich dekorierte Tannen. Über die Lautsprecher scheppern dann statt Vogelgezwitscher die Weihnachtsklassiker durch die Straßen. Ich frage mich, wann ferngesteuerte Vögel durch die Stadt geflogen werden. Stell dir vor, dann sitzt du in deiner Mittagspause auf einer Bank vor einem 3D Plasmabaum und eine Taubendrohne kommt angehüpft, um nach deinen nicht vorhandenen Brezelkrümeln zu betteln. Und das alles nur, damit sich das Leben wieder „normal“ anfühlt.
Stell dir doch lieber vor, wir hätten das ganze Geld für diesen Schnickschnack wie ferngesteuerte Tauben und 3D-Plasma-Bäume in den Umweltschutz gesteckt.
Dann würde ich jetzt stattdessen hier auf dem Acker stehen, leuchtend gelben Raps und Wildblumen sehen. Vielleicht sogar in der Ferne einen Waldrand und wenn es grade nicht Nacht ist oder regnet, würde ich definitiv einen strahlend blauen Himmel mit ein paar weißen Wolken sehen. Mit echten Vögeln. Die selbst entscheiden, ob sie deine Krümel wollen oder doch lieber nach Würmern suchen.
Wir hätten uns vielleicht mal gefragt, ob wir wirklich den neusten Fernseher kaufen müssen, obwohl der alte noch vollfunktionsfähig ist und wo unser Elektroschrott eigentlich landet, wenn wir ihn aus der Haustür tragen. Ob es wirklich nötig ist, dass Geschäftsleute für weniger als 24 Stunden Aufenthalt ans andere Ende der Welt oder auch nur ins nächste Bundesland fliegen, oder ob diese wichtigen Gespräche nicht vielleicht auch per Videocall durchgeführt werden könnten. Ob es wirklich nötig ist, dass fast alle Produkte im Supermarkt doppelt und dreifach eingeschweißt und trotzdem nochmal extra verpackt werden. Ob es wirklich eine Lösung ist, den Müll auf einer Deponie abzulagern und abzuwarten, dass er sich von selbst auflöst oder Gras drüber wächst. Nur weil wir den Müll nicht sehen, heißt es noch lange nicht, dass er nicht mehr da ist. Das scheinen viele zu vergessen. Vielleicht hätten wir uns auch gefragt, ob es wirklich den größeren Ertrag gibt, alle Wälder auf unserem Planeten abzuholzen, nur um noch mehr Tierfutter oder Palmöl herzustellen, statt vielleicht auf einen deutlich gemäßigten Fleischkonsum umzusteigen oder gar ganz darauf zu verzichten.
Wie würdest du heute entscheiden, wenn du die Wahl zwischen einem blauen Himmel und dem ständigen Tragen von Sauerstoffmasken hättest?
Tja, die Frage haben sich wohl leider nicht genug Leute gestellt. Denn hätten sie das, würde ich heute nicht auf einem verdorrten Acker stehen und später zum Abendessen meine Mahlzeit aus einer Tube pressen. Denn vielleicht hast du noch nicht verstanden, dass nicht nur auf meinem Acker nichts wächst, dass nicht nur meine Stadt keine Luft mehr bekommt, sondern, dass das weltweit auf jedem Acker und in jeder Stadt auf diesem Planeten gleich aussieht. Wir alle bekommen keine Luft mehr. Wir alle haben keine Äcker mit saftigem Raps, Weizen oder Hafer mehr, auch nicht die Kinder der Präsidentin, Nachfahren von Bill Gates oder Elon Musk. Es gibt keine Sojaplantagen mehr, die unsere Rinder ernähren. Es gibt im Labor hergestelltes Konzentrat, dass deinen Kalorienhaushalt stabil und dich am Leben hält.
Doch, zum Glück ist es noch nicht so weit und ich frage dich jetzt: Wie entscheidest du dich?
Möchtest du lieber weniger konsumieren, erneuerbare Energie unterstützen, gegen die Verschmutzung der Großunternehmen demonstrieren und  die Politik gegen den Klimawandel unterstützen, alles tun, um auch andere Menschen davon zu überzeuge, dass die Klimaabkommen, kein Vorschlag sondern eine dringen notwenige Maßnahme sind? Dass Klimaziele keine Summerbody-2021-Wünsche von einem Teenie sind, sondern in dringend wahrzunehmenden Gesetzen resultieren sollten. Oder möchtest du mit einer Maske unter einem Plasmabildschirm deine Mittagspause machen während eine Drohne dich um dein nicht vorhandenes Essen anbettelt?
Es ist deine Entscheidung. 

Autorin / Autor: Sophia Falk, 24 Jahre