Das Verwischen der Spuren

Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Karla Leberzammer, 13 Jahre

Ich habe gerade etwas Angst. Ich bin gerade auf dem Weg vom Fußball nach Hause und habe sehr komische Geräusche gehört. Das ist im Wald zwar eigentlich normal, aber das hier finde ich schon etwas gruselig. Langsam gehe ich ein paar Schritte vorwärts. Unter meinen Füßen raschelt das Laub. Als ich aber um die nächste Ecke komme, erschrecke ich mehr als je zuvor in meinem Leben. An dem kleinen See, der sich zwischen den Bäumen versteckt, stehen einige Männer, die Jacken tragen, auf denen das Logo der riesigen Ölfabrik „Dermeleine“ ist und sie trugen Kisten aus denen irgendetwas stand, was ich als „Giftmüll der Firma Dermeleine“ entziffere. Sie verstecken diesen, gehen zu einem Auto zurück und holen neue Kisten. Sie schmeißen diese hinter Bäume oder in Büsche und machen immer weiter. Aber irgendwann wird mir das echt zu viel. „Nein!“ schreie ich laut und renne auf die Männer zu. Mir kommt zwar irgendwie der Gedanke, dass das etwas riskant ist, aber jetzt gibt es eh kein Zurück mehr. „Hau ab, Kleine“, sagt der erste Mann, „oder möchtest du erfahren, dass ich zu fürchten bin.“ „Wenn das die Polizei erfährt, das  eine der wichtigsten Firmen hier ihren Giftmüll ablädt, dann bekommt ihr ordentlich Ärger.“ sage ich leider etwas zitternder als ich es beabsichtigte. „Aaaah, ein Umweltheld“ sagt der zweite Mann, welcher noch immer Kisten in der Hand hält, spottend zu mir. „Ich rufe gleich die Polizei, wenn ihr so weiter macht.“ sagt ich. „Wir werden weiter machen, aber du wirst uns nicht davon abhalten.“ antwortet aber einer der Männer und packt mich am Arm. Scheiße, ist das einzige was mir im Moment durch den Kopf geht, während mich der erste Mann schreiend davon trägt. Ich habe unendliche Angst. Was will dieser Mann von mir? Ich versuche mich zu wehren, aber ich werde festgehalten. Ich versuche den Mann zu beißen, aber ich darf nicht gehen. Ich versuche zu schreien, doch aus meiner Kehle kommt kein Mucks. Ich bin gefangen. Ich werde weiter getragen, immer weiter, bis mein Entführer plötzlich halt macht. Wir stehen vor einer kleinen Hütte aus Holz. Er wirft mich achtlos hinein und sagt nur schadenfroh: „Ich würde dir gerne noch etwas Zeit im Leben geben, aber ich verwische meine Spuren gerne!“. Und weg war er. Die Tür fällt mit einem lauten Schlag zu und ich höre ihn den Schlüssel im Schloss drehen. Jetzt bin ich allein. Langsam rutsche ich an der Wand herunter und ich setze mich auf den Boden. Eine Weile lang passiert nichts. Doch plötzlich höre ich ein Rauschen. Ich stehe auf, gehe zu dem kleinen Fenster und schaue hinaus. Auf einmal sehe ich es: Überall ist Feuer. Der komplette Wald brennt lichterloh! Ich habe eine Angst, wie ich sie noch nie im Leben gespürt habe. Die Sirenen der Feuerwehr höre ich in der Nähe, aber für mich wird es eh zu spät sein. Ich höre ein Knacken im Holz, das Feuer beginnt auf die Hütte überzugreifen. Ich renne in die andere Ecke der Hütte und lasse mich langsam auf den Boden sinken. Die Hitze ist unerträglich und mir wird langsam schwindlig. Und dann sehe ich nur noch schwarz.

Beim Aufwachen spüre ich ein schmerzhaftes Ziehen im Rücken. Meine Augenlider sind unglaublich schwer und ich höre Geräte neben mir piepsen. Mit Mühe öffne ich langsam die Augen. Am Fuß meines Bettes stehen meine Eltern. Meine Kehle fühlt sich rau an, als ich versuche, etwas zu sagen. Es kommt nur ein krächzendes „Was ist passiert?“ heraus. „Rosalie!“ ruft meine Mutter, „du bist wach!“. Ich versuche zu lächeln, aber schaffte es nicht wirklich. „Sieht wohl so aus.“ bringe ich heraus. „Die Ärztin hat gesagt, dass du nur 10% Chance zu überleben hast, aber wenn du aufwachen würdest, wärst du über den Berg!“ faselte meine Mutter so schnell, dass ich sie kaum verstehe. „Wie lange muss ich noch bleiben?“ War das einzige, ist mich gerade interessiert. „Naja, deine Brandwunden müssen heilen und du muss dich generell erholen.“ Brandwunden, langsam kommen meine Erinnerungen zurück. Überall Feuer, ganz viel Feuer. Ich will nach Hause, ich muss das verarbeiten. Ich bin richtig k.o..

Endlich sind die zwei ewig langen Wochen, die ich noch im Krankenhaus sein musste herum. Jetzt bin ich da, wo alles angefangen hat. Im Wald. Doch nichts ist wie vorher. Alles abgefackelt, kaputt. Der kalte Herbstwind kitzelt am meiner Nase. Ich bin anders, seit der Sache mit dem Brand bin ich anders. Ich bin ernst geworden, aber ich denke auch zuversichtlich. Denn ich bin mir sicher. Die Männer, wegen denen ich so viele Narben habe, können nicht ewig frei sein. Sie werden gefasst werden. Da bin ich mir sicher. Bald werden sie gefasst werden. 

Mehr Infos zum Schreibwettbewerb

Autorin / Autor: Karla Leberzammer, 13 Jahre