Ein Tag gleicht dem anderen

Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Berenike-Maria Müller, 21 Jahre

Ich stehe wie jeden Morgen vor meinem Spiegel im Badezimmer, greife zu meiner Zahnbürste aus Bambus und gebe einen Klecks meiner BIO-Zahnpasta auf den Borstenkopf. Während ich mir die Zähne putze, wandere ich gedankenverloren zurück in mein Zimmer, setze mich auf mein Bett und ziehe mir meine fair gehandelten grauen Socken mit einem grünen Blattmuster darauf an. Dazu meine Leggings aus BIO-Baumwolle und mein T-Shirt mit dessen Kauf ich 20 Bäume gepflanzt habe. Langsam mache ich mich auf den Weg zurück ins Bad. Wasche mir mein Gesicht mit klarem, eiskaltem Wasser und kämme mir noch schnell einmal durchs Haar. Ich betrachte mich im Spiegel. Dort sehe ich ein Mädchen, nein, eine junge Frau. Das kurze Haar zurückgekämmt und mit Henna in einem Kirschrot gefärbt. Ungeschminkt sehen mich zwei hellbraune, gerötete Augen aus tiefen Höhlen an, die von blauen Ringen umzogen sind. Leichte Rötungen erstrecken sich über die blasse Haut meines Gesichts. Ich habe dieses Gesicht schnell satt und begebe mich zurück in mein Zimmer, um mir meine fair gehandelten BIO-Schuhe aus Kork anzuziehen. Ich packe noch schnell meine Tasche und fülle meine Flasche mit Leitungswasser auf. In der Küche nehme ich mir einen der BIO-Äpfel mit und schnappe mir dann meine Jacke. Leider ist sie weder BIO, noch fair oder wenigstens in Deutschland hergestellt, um Emissionen einzusparen. Sie ist bereits alt und die Spuren des Verschleißes ziehen ihre Bahnen über den olivgrünen Stoff. Ich bin bereits spät dran, wie fast jeden Morgen. Schnellen Schrittes gehe ich die Treppe des Mehrfamilienhauses hinab und öffne die Türe zur Straße hinaus. Ein beißend-kalter Wind weht mir ins Gesicht, der feine nadelartige Regentropfen mit sich trägt. Ich ziehe mir schnell die Kapuze über den Kopf und öffne das Schloss meines Fahrrads, dessen Vorderreifen schon seit langem repariert werden müsste. Der altbekannte Weg zum Bahnhof erstreckt sich vor dem Lenker meines Fahrrads während ich in die Pedale trete und mich in meinen Gedanken verliere. Mein Fahrrad muss ich wie so oft zwischen zwei andere quetschen, da bereits alle freien Plätze belegt sind. Ich hole die Kopfhörer und mein Handy heraus, um mir eine Playlist voller schnulziger Liebeslieder anzuhören. Jetzt dauert es noch eine knappe Stunde bis ich mit der Bahn an der Hochschule bin. Eigentlich sollte ich die Zeit nutzen und Literatur und Text für mein Studium lesen, aber ich habe wie immer keine Lust dazu und schaue mir lieber die Welt an wie sie vor meinen Augen vorbeizieht. In der Hochschule angekommen sitze ich in einem Modul mit irgendeiner Nummer zu irgendeinem Thema, in dem ich irgendeine Prüfungsleistung abgeben muss. Danach noch ein paar Vorlesungen, in den Pausen mit Menschen quatschen, die ich einigermaßen erträglich finde. In der Mensa hole ich mir das vegetarische Menü, da es kein veganes gibt. Meinen Apfel habe ich bereits heute Morgen in der Bahn gegessen. Nach dem Essen fühle ich mich schlecht. Hätte doch lieber gar nichts anstatt der vegetarischen Lasagne essen sollen. Spät abends habe ich endlich den Tag hinter mich gebracht und fahre nach Hause. Die Bahn ist voll mit Menschen, die gerade Feierabend haben. Ich blicke in fahle, eingefallene Gesichter mit tiefen Augenringen, Gesichter wie meins. Angekommen schwinge ich mich auf mein Fahrrad, der Regen hat aufgehört aber der Wind ist noch da. Es ist bereits dunkel, mein Fahrrad wirft ein schwaches Licht auf den noch feuchten Asphalt vor mir. Zuhause angekommen entschließe ich mich dazu nichts mehr zu essen und stattdessen duschen zu gehen. Ich dusche nie lange, um Wasser zu sparen. Meine Haare wasche ich mir mit Natron, das ich mit einem halben Glas Wasser mische. Meine Haut reinige ich mit tierversuchsfreiem Duschgel ohne Mikroplastik. Ich trockne mich kurz ab und lege mich in mein Bett, um noch ein wenig zu lesen. Ich kann stundenlang nicht schlafen, da ich mich nachdenklich in meinem Bett herumwälze. Was kann ich noch tun, um die Welt ein bisschen besser zu machen?! Diese Frage stelle ich mir jeden Tag und weiß immer seltener eine Antwort darauf. Ich bin allein, habe gerade genug Geld, um mich über Wasser zu halten und bin nicht mächtig genug, um die Welt im Alleingang zu verändern. Und egal was ich tue, ich habe das Gefühl es bringt rein gar nichts. Die Polarkappen schmelzen uns vor der Nase weg, die Gewässer sind mit Plastik verseucht und die Wälder werden für die Nutztierhaltung ohne Rücksicht auf Verluste abgerodet. Wenn doch nur jeder Mensch eine Kleinigkeit für eine bessere Welt tun würde… Wenn den Menschen überhaupt erst einmal klar werden was sie mit ihrem übermäßigen Konsum alles anrichten, vielleicht würden sie dann wenigstens einmal über ihre Handlungen nachdenken… Ich spüre wie sich Tränen unaufhaltsam ihren Weg über mein Gesicht bahnen. Wenn doch nur… Wenn… Als mich die Dunkelheit umfängt und mich in ihren sanften Armen in den Schlaf wiegt.
Das Klingeln des Weckers reißt mich unsanft aus meinem traumlosen Schlaf. Ein weiterer Tag… Also stehe ich auf und stelle mich vor den Spiegel im Badezimmer.

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Autorin / Autor: Berenike-Maria Müller, 21 Jahre