Eine gute Idee

Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Marlene L., 16 Jahre

Endlich Sommerferien! Ich bin auf dem Weg zu meinen Großeltern ans Meer und freue mich. Als ich mit meinen Eltern endlich das Haus erreiche, bin ich schon total aufgeregt. Kaum haben wir angehalten, springe ich auch schon eilig aus dem Auto und renne schnell in ihre Arme. Ich habe meine Großeltern schon eine lange Zeit nicht mehr gesehen. „Hallo Maja, schön dich zu sehen“, höre ich meine Oma sagen.
Wir gehen immer am Hafen spazieren, aber am liebsten fahre ich mit meinem Opa raus aufs Meer mit seinem kleinen Fischkutter. Dann beobachte ich die Fische, wie sie umher schwimmen, manche hektisch, andere total gelassen. Ich stelle mir dann immer vor, dass die kleinen Fische bestimmt auch so tolle Großeltern haben wie ich, nämlich die großen, etwas älteren Fische.

Nachdem meine Eltern alle Koffer aus dem Auto gewuchtet haben, kommen sie auch zum Haus. Heute Abend werden sie wieder fahren. Klar freue ich mich, allerdings ist der Abschied jedes Mal schwer. Wir gehen ins Haus, ich schaue mich um, ob sich etwas verändert hat. Dem ist aber nicht so. Die Urkunden meines Opas hängen über dem Sofa und die Bücher stehen immer noch im selben Regal. Auf die Urkunden ist mein Opa besonders stolz. Mein Opa war nämlich Tierschützer. Und das ist er auch immer noch von ganzem Herzen. Wir setzen uns an den Tisch. Nachdem ich meinen Kakao gierig leer getrunken habe, schlägt Opa vor, gemeinsam an den Hafen zu gehen, bevor meine Eltern wieder fahren würden. Ich halte das für eine gute Idee. Die Erwachsenen quatschen über dies und das. Aber ich freue mich gleich am Kutter zu sein, am Steuerrad neben meinem Opa zu stehen. Als wir am Hafen ankommen, laufen wir zu dem alten Kutter. Als alle Mann an Bord sind, setzt sich mein Opa seine Kapitänsmütze auf und wir fahren langsam aus dem Hafen.

Wir sind schon eine Weile unterwegs, da wird der Kutter langsamer. Ich lasse meine Füße ins Wasser baumeln und halte Ausschau nach einer Fischfamilie, sehe aber keine. Plötzlich spüre ich etwas Glitschiges an meinem Fuß. Ich ziehe ruckartig den Fuß aus dem Wasser. Ich blicke nach unten und sehe einen toten Fisch, nein zwei, drei im Wasser treiben. Ich schaue verwundert zu meinem Opa. Auch er schaut sehr nachdenklich. „Was ist mit ihnen passiert?“ frage ich besorgt. „Es ist so, die Leute, die hier Urlaub machen, werfen ihren Müll in das Wasser.“ Das verstehe ich nicht! „Aber wieso? Hier sind doch auch Mülleimer, oder warum nehmen sie den Müll nicht mit?“ Ich verstehe auch den Zusammenhang zwischen dem Müll und den toten Fischen nicht. „Klar gibt es hier Mülleimer, aber die Leute sind zu faul. Sie denken nicht an die Tiere im Wasser, sondern nur daran, wie sie den Müll möglichst schnell loswerden.“

Ich verstehe es immer noch nicht ganz. „Aber wieso? Wieso wollen sie den Tieren schaden?“ Jetzt richtet sich mein Opa auf und schaut mich an, er scheint kurz zu überlegen. „Naja, schau mal, es gibt eben Leute, die nur an sich denken oder auch nicht wissen, dass die Tiere von dem Müll Schaden nehmen.“ Dieser Satz macht mich nachdenklich. „Woran genau sterben sie denn?“ Ich kann mir das nicht ganz vorstellen. Jetzt schaut Opa noch ernster, und etwas traurig, finde ich. „Die Fische denken, der Müll wäre Plankton. Sie essen den Müll, der natürlich giftig für sie ist. Dadurch verhungern sie, weil sie nichts mehr verdauen können. Aber gefährlicher ist, dass der Müll häufig scharfkantig ist und den Innereien so enorm schadet. Das musst du dir dann so vorstellen, dass der Fisch quasi eine kleine Messerklinge verschluckt.“ Das hört sich grausam an. Das will ich mir nicht vorstellen. Nach einer Weile entdecke ich einen etwas größeren Fisch und zwei kleinere. Das muntert mich ein wenig auf. Und auch Opa lächelt. „Siehst du, da ist deine Fischfamilie.“ Er scheint genauso glücklich wie ich. Wir steuern langsam den Hafen an.

„Kannst du dir eigentlich vorstellen, was der Wind mit dem Müll im Meer zu tun hat?“ fragt mich Opa als wir zu viert wieder zum Haus laufen. Auf die Frage weiß ich keine Antwort. „Der Müll der am Strand liegen gelassen wird, wird von dem Wind teilweise ins Meer geweht.“ Ich bin davon ausgegangen, dass es nicht gut ist, den Müll liegen zu lassen, aber ich habe noch nie daran gedacht, dass dieser auch ins Gewässer gelangen kann. Mittlerweile hat es draußen angefangen zu regnen. Wir sitzen gemütlich am Tisch und trinken Tee, der Regen prasselt gegen die Scheibe. Am Abend verabschiede ich mich von meinen Eltern. Es fällt mir nicht leicht. Schließlich lasse ich sie dann aber doch gehen.

Oma und ich schauen noch einen Film und gehen dann schlafen. Ich denke noch ein wenig über die Fische nach. Die Vorstellung, dass jedes Jahr zigtausend Meerestiere sterben müssen, nur weil viele Menschen zu faul sind, den Müll im Mülleimer zu entsorgen, erschüttert mich. Als ich aufwache, blitzt die Sonne durch den Rollladen. Ich höre aus der Küche Geklapper und die Stimmen meiner Großeltern. Schnell ziehe ich mich an und gehe in die Küche. „Opa, was können wir denn machen, damit nicht so viele Fische sterben?“ frage ich Opa nach dem Frühstück. „Naja, die Menschen müssten vom einen auf den anderen Tag keinen Müll mehr liegen lassen, was leider nicht funktionieren wird.“ Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass so viele Fische sterben müssen und ich nichts dagegen tun kann. „Hey, wir können doch den Müll am Strand aufsammeln“, fällt Opa ein. Ich halte das für eine gute Idee. Meine Oma bleibt lieber im Haus, da sie Rückenschmerzen hat. Ich muss ihr versprechen, gut auf Opa aufzupassen. Kurze Zeit später ziehen wir mit Handschuhen und einer Rolle Müllsäcke bewaffnet zum Strand. Wir brauchen gar nicht lange zu suchen, denn der Müll liegt überall. Nach einer Stunde haben wir insgesamt sechs Müllsäcke gefüllt. „Ich brauche eine Pause! Wie sieht es mit dir aus?“ fragt Opa. „Gute Idee!“ erwidere ich. Wir setzen uns auf eine Bank und trinken heißen Tee aus der Thermoskanne.

Am Ende des Tages zählen wir stolz unsere Ausbeute: zwölf Müllsäcke!

Mehr Infos zum Schreibwettbewerb