Dunkler Kerzenschein

Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Haruto, 18 Jahre

Wieder sind wir gefallen. Säuselte der Wind, als er die kleine Gestalt auffing.
Was machst du. Nun hör doch auf!
Aber er begann wieder aus dem Müll, welcher für immer bestehen sollte, eine Leiter in den Himmel zu bauen.
Nichts ist für immer? Nichts ist, für immer.
Ich wollte doch schon immer einmal diese Sterne sehen, von welchen mir die Alten erzählt haben. Unter dem schwarzen Vorhang aus Rauch sollen sie sich verstecken und so schön glitzern, funkeln und leuchten wie einst meine Seele, als ich noch nicht gebrochen war.
Ich hatte nie das Gefühl einen Platz in dieser Welt zu haben; und doch schickte er mich.
Sie haben auf mich gespuckt, mich getreten, mich mit Müll beworfen und beschimpft. Sie haben versucht mich zu töten, obwohl ich ihnen alles gab.
Mit diesen Worten machte sich Kim, der einst selbst strahlend weiße Engel, mit gebrochenen Flügeln, zerrissenem Herzen, grauem Haar und grauer Haut daran, eine Leiter in den Himmel zu bauen, denn fliegen konnte das kleine Geschöpf schon lange nicht mehr und doch wollte er nach Hause zurückkehren.
Tränen färbten weiße Streifen in die graue Haut.
Ich wollte schreien, doch es war so still, so still.

Das letzte Blatt, gestern verbrannt, der letzte Sauerstoff vor Jahrzehnten geatmet.
Ich wollte da wäre jemand mit dem ich all diese Sogen teilen kann, aber der einst majestätische blaue Planet hatte seine Farbe verloren. Einsamkeit, Stille und Kälte hatten seine Lebensfreude ersetzt. Die Augen und Ohren, seit Anbeginn der Zeit verschlossen. Blind und taub.
Was einst bunt, was einst schön, was einst so strahlend war, nun verkommen, grau und schwarz. Er atmete die grauen Schwaden ein, welche ihn innerlich verbrannten.
Tränende Augen, kaltes Herz.
Ich war so allein, bestimmt, Jahr für Jahr den Schmerz, das Leid mit anzusehen.
Schon als ich die Erde betrat, schöpfte ich meine Lebensenergie aus Trauer, Hass und Neid. Sah all diese ruhelosen Seelen und deren schmerzverzerrte Gesichter. Mit müden Augen folgten sie jedem meiner Schritte. Wo war mein Herz als ich dich zum ersten Mal sah, Mutternatur. Man sagte mir du seist das Schönste, was ich je sehen würde, aber du warst verkommen, genauso wie die toten Seelen um dich herum und die Herzen deiner Heimat.
Deine Schönheit? Eine Fassade, eine Maskerade, welche mich verführen sollte, doch sie ließ mich nur vergessen.
Du bietest mir ewiges Leben.
Doch wo waren nun all deine Gefühle?

Es ist so kalt, so kahl, so leer um mich herum.
In weiter Ferne das rostige Klappern eines Aluminiumteils, welches vom Sturm hinfort Richtung Schrottwüste getragen wurde.
Heiße Lava suchte sich den Weg durchs Land und über mich hinweg. Sie war das einzig Farbige, das einzig Warme was geblieben war.
Ich spürte ihre Hitze, ihre Liebe als sich mich verbrannte. Sie war das Einzige was mich noch wärmen konnte. Doch ich sollte nicht zu Asche werden, zu mächtig war der Pakt, welcher ewiges Leben versprach.

Der Schein des Mondes beständig, jedoch um einiges schwächer, erschöpfter.
Er schien auf mich und vermittelte mir seine Trauer, die Melancholie des Lebens, den Nachklang von diesem zumindest
Ein weiterer Atemzug.

Ich versuchte die einst frische Luft zu atmen, frage mich jedoch, ob sie dies je war?
Frisch.
Die Hitze raubte mir den Atem. So wurde ich in dem Vulkan geboren und soll in der Kälte sterben? Suspekt. Eine Eiszeit kaum möglich, ein Neuanfang unvorstellbar.
Was sollte das?! Hörte ich eine Stimme sanft und doch brechend zugleich hinter mir. Ein Mensch? Ich dachte alle seien verkommen? Was meinte er?

Ich frage dich und ich frage mich, warum leben wir gegen dieses wunderschöne Geschöpf, wenn wir doch eins mit ihm sein müssen, um zu existieren? Habe ich Angst im Dunklen, kämpfe ich dann gegen den Kerzenschein? Das Höhere sind nicht wir. Wir sind lediglich das Chaos und der Schmerz. Wir sind das Feuer im Wald, verantwortlich für Verwüstung, Schutt, Asche und Trümmer. Sprachen sie nicht immer von Gegenseitigkeit, einem Nehmen und Geben? Doch wo war das Geben?
Ich habe Angst. Der Mensch hat nicht nur Schmerz und Leid, er gibt es auch und das ohne Scheu, ohne Reue. Wo waren Hoffnung und Liebe? Ich sehe sie nicht mehr bei all dieser Dunkelheit. Ich habe Angst, habe Angst im Dunkeln …                                                                Sieh nur! Deine Augen, genau so leer wie meine Seele.
Meinte er mich?
Ich spreche mit dir
Siehst du mich? Du siehst mich?

Du wurdest geschickt vom Mann im Mond, um zu erfahren was geschah, nicht wahr? Auch mich schickte einst ein Stern, die letzte Warnung zu verkünden. Mich den Geist der Zeit. Seit Jahrtausenden beobachte ich, seit Jahrhunderten warne ich und siehe da, ohne Erfolg. Sie speisten sich von meiner Energie. Nun kann ich nicht mehr zurück, oh wie groß dieser Schmerz. Ich vermisse dich so sehr…meine Heimat. 
Ein Tränenfluss unterbrach die sanfte Stimme und verursachte ein unsicheres, stotterndes Schluchzen. Diese Trauer, was für Energie sie mir doch spendet. Ich fühle mich belebt wie seit langem nicht mehr, meine Flügel beginnen zu zittern. Ich tastete mein Gesicht. Tränen? Rote Tränen?

Vor mir zerrinnt der Geist der Zeit in einem schrecklich verzerrten Bild. Die Vergangenheit war erstarrt. Die Geschichte war geschrieben. Ich begann zu fallen und erwachte in einem weißen Raum.
Da waren diese Gestalten mit Schlägern und Messern. Sie zerrten mich an meinen Haaren in einen viel zu kleinen Käfig. Bewegungsunfähig musste ich spüren, wie der eine mir den Flügel abschnitt, der andere mir einen brach. Zwei schlugen auf meinen Kopf und drei zerstachen mich. Sie tranken mein Blut, sie aßen mein Fleisch und feierten sich selbst. 
Sollte ich aufhören vom Fliegen zu träumen? Sie haben mich gefangen.
Ich wollte schreien, ich schrie doch niemand hörte mich. Erschöpfung riss mich zu Boden und knochige Füße, gehüllt in eine schwarze Kutte, traten vor mich; schallendes Gelächter in meinen Ohren.
Sie zündeten mich an, wollten mich brennen sehen und wärmten sich an mir. Sie sahen mich weinen, hörten mich schreien, sahen mich fallen und lachten. Ihr Pakt mit dem Tod war mächtiger als meiner des ewigen Lebens.
Als ich meine Augen öffnete und der Geist der Vergangenheit mir sein Leben schenkte, öffnete sich auch mein Herz. Er hatte mir den Verstand gegeben und ich war erwacht mit dem Wissen, ich kann etwas ändern.
So tu es auch, hörte ich das flüsternde Säuseln des Windes in meinen Ohren. Und als ich meine Kopfhörer in die Ohren steckte, vergaß ich seine Worte nicht und wusste, ich kann etwas bewegen. Doch war es nur ein Traum, dass ich der Retter sei? Das Versprechen verblasste.
Der Geschmack von Blut in meinem Mund.
Bin ich der Geist der Zukunft?

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