Von Seifenblasen

Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Julia, 17 Jahre

Wir Menschen leben in einer Seifenblase. Das wird Medea auf dem Nachhauseweg mit einem Mal bewusst. Die Leute um sie her, wie sie da reden und lachen, umherlaufen oder fahren und unbehelligt ihrem Leben nachgehen – sie alle scheinen in ihrer eigenen unberührbaren Welt zu leben ohne es zu merken. Oder bemerken zu wollen.

Medea liebt Seifenblasen. Sie kennt sie besser als die Meisten, denn als kleines Mädchen hatte sie viel mit ihnen gespielt. In einer Seifenblase zu leben müsste eigentlich perfekt sein. Es ist der Traum eines jeden Kindes in einer zu wohnen. Seifenblasen sind hübsch anzusehen. Sie glitzern unter der Sonne und verwandeln ihr Licht in einen Schauer gebrochener Regenbogenfarben. Sie haben etwas Magisches an sich, tanzen anmutig, leichtfüßig hoch in den Himmel und lassen sich vom Wind in die Freiheit tragen. Und dennoch…

Ein alter Mann mit bebarteten und vom Alter gegerbten Wangen fährt mit seinem Oldtimer Carpio an ihr vorbei. Ein paar autobegeisterte Männer bleiben stehen und bewunderten ihn. Hinter dem altgelben Lack wirbelt eine blauschwarze Abgaswolke durch die Herbstluft der Sonne entgegen.

Der Zipfel eines hellgelben T-Shits wischt vorbei. Ein Kind schlingert jauchzend mit einem billigen Plastikboard durch die ungewöhnlich warme Novemberluft, die Jacke hängt ungebraucht zu Hause am Haken.

Zwei Damen laufen munter quatschend nebeneinander her, schwerbepackt mit Tüten, dem Ergebnis einer erfolgreichen Shoppingtour. Aus den Öffnungen lugen die Enden verschiedener reduzierter Kleidungsstücke. Die Etiketten verraten die Herkunft und Reise der Stücke aus verschiedenen Entwicklungsländen.

Sie alle leben in dieser Seifenblase. Die dünne Wand, die vor der Außenwelt schützt, durchsichtig. Man könnte hinaussehen. Doch es ist leichter wegzusehen. Ohnehin, die Krümmung würde dafür sorgen, dass alles nicht echt aussieht. Sollte man versehentlich einen Blick in die falsche Richtung werfen, erscheint alles verzerrt und unwirklich. Gut so.

Die Seifenblase ist wunderschön. Sie segelt durch die Luft, erreicht ungeahnte Höhen und wird nur manchmal von bösen Winden, die die Wirklichkeit mit sich tragen, gestört. Doch die Wände der Blase schützen gut. Bis auf einige Wackler wiederfährt einem darin nichts.

Die Leute, denkt Medea, die Leute vergessen nur eines. Jede Seifenblase ist dazu bestimmt früher oder später einmal zu platzen.

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Autorin / Autor: Julia, 17 Jahre