ENVIRONMENTAL DISASTER

Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Girl on the moon, 15 Jahre

Meine Geschichte beginnt an einem schwülen Sommertag. Ich liege auf einer grünen Wiese unter einem wolkenlosen Himmel in den schönsten Blautönen, die ich je in meinem Leben gesehen habe. Man kann das Flattern der Schmetterlinge förmlich hören, so still ist es. Ich genieße die Wärme der aufgehenden Sonne auf meiner Haut und sauge die frische Luft in mich ein. Gerade will sich eine verwirrte Biene auf meinen Arm setzen und ich will ihr schon den Weg zur nächsten Blume beschreiben, als ein ohrenbetäubender Laut ertönt. Traurig schließe ich meine Augen und hoffe, dass meine Zeit noch nicht vorbei ist. Doch da dringt auch schon diese lästige Männerstimme an mein Ohr. „Miss Summer, stehen sie auf. Ihr Pensum ist für heute erreicht“, verkündet mir der ältere Mann, der jetzt genau vor mir steht. Fast ermahne ich ihn, dass er auf meine frisch gepflückten Blumen treten würde, aber in der gleichen Sekunde fällt es mir brühwarm wieder ein: Diese wunderbare, friedliche Welt voller Täler, Bäume und Seen ist eben keine Realität. Sie ist verschwunden und hat nichts als einen kleinen, dunklen Raum zurückgelassen.
„Ich will es ihnen nicht noch einmal sagen müssen!“ Mr. Baker starrt mich mit gehobenen Augenbrauen und einem fordernden Gesichtsausdruck an. Da ich mir kein Bußgeld wegen drastischer Zeitverzögerung einhandeln will, verlasse ich mit einem Grummeln den schwach erleuchteten Raum und trete in den langen, grauen Flur. Auf meinem fünf minütigen Weg durch mehrere Korridore, vorbei an Schaltzentralen und Türen mit Warnschildern versinke ich immer mehr in meinen Gedanken. Dabei murmle ich entnervt vor mich hin und vergesse deshalb ganz mich bei dem netten Portier am Ein- und Ausgang zu verabschieden.
Als ich auf das wolkenverhangene Außengelände trete, kann ich im Licht der Baustrahler schon die überdimensionale Statue erkennen. Wie immer lese ich nur den ersten Satz der Steintafel ihres Sockels: „Ely James, Revolutionär der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.“ Pah, von wegen Revolutionär! Dieser Mensch hat nichts andres getan als unsere grausame Welt schön zu reden. Er hat die Dunkelheit unserer Gedanken mit einem Funken Hoffnung gefüttert. Doch diese Hoffnung ist nichts wert. Sie vertuscht bloß die Realität. Eine Realität von Überbevölkerung, Umweltkatastrophen und Insektenplagen.
Im Jahr 3090, kurz nach dem ersten Klimakrieg hatte Ely James die Idee des „Timeturners“. Und nein, es ist nicht wirklich eine Erfindung, mit der man die Zeit umkehren kann, aber sie lässt uns für einige Minuten, manchmal sogar Stunden in eine virtuelle Vergangenheit reisen. Eine Vergangenheit, die wir sonst nur aus den Geschichtsbüchern der Schule kennen, mit einer unglaublichen Vielfalt an Pflanzen und Tieren. Wir haben immer noch eine große Artenvielfalt. Allerdings eine an schlechten Ideen, die die Erde jeden Tag ein Stückchen mehr unbewohnbar macht. Alle wissen, dass es zu spät ist um einzugreifen. Die Ressourcen sind aufgebraucht. Es gibt kaum noch Pflanzen und wilde Tiere. Massentierhaltung ist immer größer geworden. Die wenigen Bäume müssen von Hand bestäubt werden, die Polarkappen sind schon seit langem bis auf das letzte Stück geschmolzen und jeden Morgen ist es ein bisschen unerträglicher aufzuwachen.
Die Welt braucht keine Geräte in der uns unsere Träume vor Augen geführt werden. Die Welt braucht Erfindungen, die den Klimawandel und damit die Versauerung der Meere und das Massensterben verschiedenster Spezies verhindern. Allerdings brauchte sie das schon vor mehreren tausend Jahren. Es werden nur noch die letzten Rohstoffe und Nahrungsmittel verbraucht. Der Platz wird immer enger und es gibt immer mehr Menschen, die in Sicherheit leben wollen. Die letzten Jahre werden durch nette Ablenkungen wie den „Timeturner“ nur erträglicher gemacht. Aber irgendwie klappt es.
In meinen zwei Stunden in denen mir jede Woche meine schönste Realität vorgegaukelt wird, vergesse ich alle Probleme. So geht es jedem der sich diese Behandlung des „Ely-Instituts“ leisten kann. Die Unterschicht unserer Gesellschaft muss eben zu einfacheren Methoden wie mittelklassigen Therapeuten greifen. Die Regierung versucht mit vollster Kraft, es allen Menschen so gemütlich wie möglich zu machen. Doch was soll man schon groß tun können, wenn alles Geld in Künstliche Herstellung von Rohstoffen, wie Erdöl fließt. Auch wenn alle diese Projekte scheitern, gibt es immer wieder neue Ansätze und Ideen, um die Lebenszeit der Menschheit um wenige Jahre zu verlängern, ehe die von uns verursachten Katastrophen die Welt unbewohnbar machen. Denn auch mit E-Autos war der Klimawandel nicht zu stoppen.
Chemisch hergestelltes Wasser ist das Einzige, das wir trinken können. Das Trinkwasser wurde durch Mikroplastik und giftige Stoffe von Fabriken und Viehzucht tödlich verschmutzt. Zudem ist es unerträglich heiß geworden. Da wir alle mit genauer Sicherheit wissen, dass es für uns bald vorbei ist, steigt die Kriminalität unaufhörlich. Fast keiner ist mehr achtsam oder hält sich an die Gesetze unseres Staates. Es gibt keine fairen Prozesse mehr und die meisten kommen mit ihren Straftaten einfach davon ohne auch nur ein Gericht, geschweige denn ein Polizeirevier von innen gesehen zu haben.
So ist es eben, wenn der Platz immer kleiner wird und jeder nur noch das Ende abwartet. Ein Ende wird es definitiv geben, aber keineswegs ein heldenhaftes Ende, wie es in den Märchen über Prinzessinnen, Drachen und Rittern beschrieben wird. Keiner von uns wird im Kampf um die Gerechtigkeit sterben. Keiner von uns wird von sich behaupten können, ein wirklich gutes und lebenswertes Leben geführt zu haben und ein selbstloser Mensch gewesen zu sein. Selbst wenn es so etwas wie den Himmel und Frieden gibt, werden wir solch einen Ort nie zu Gesicht kriegen. Wir haben einfach zu spät gemerkt, dass nicht Geld das Ziel jedes einzelnen sein sollte, sondern ein respektvolleres Leben gegenüber den Tieren, Pflanzen und der ganzen Welt. Unser Egoismus hat das unmöglich gemacht.

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