Von Angsthasen und Killer-Robotern

Beitrag von Franziska Sittig, 17 Jahre

Seien es nun Künstliche-Intelligenz-Softwaretools, die man schon zur Tischreservierung in einem Restaurant unentlarvt anrufen lassen kann, sportliche Roboter mit Allround-Fähigkeiten und einem bewundernswerten Durchhaltevermögen, zehn extrem schnöde Handgriffe am Fließband gleichzeitig zu erledigen, oder Voraussetzungen namens Work-Life-Balance, die vonseiten der Generation Y an den Arbeitgeber gestellt werden: Entwicklungen und Erfindungen, Pläne und Prognosen nehmen die Arbeitswelt der Zukunft immer beängstigender ins Visier. Allein schon die Digitalisierungswellen der letzten Jahre geben uns allen Anlass dazu. Dieses Phänomen der Digitalisierung findet nun nicht mehr nur cool und gelassen als schickes Modewort Verwendung in sämtlichen Medien, sondern gilt bereits vielfach als Menetekel, das die zukünftige Arbeitswelt grundlegend verändern und aufwühlen wird. Tatsächlich werden wir wohl in den nächsten Jahren auf den größten Wandel seit der Industrialisierung zusteuern, seit ein Weißhaarperücke tragender, ziemlich konzentriert dreinschauender Schotte in den 1760er Jahren bahnbrechende Neuinstallationen an der Dampfmaschine vornahm. Hatte man damals schon befürchtet, jene sich daraufhin häufenden technischen Erfindungen könnten den einfachen Arbeitern irgendwann gänzlich ihren Lohnverdienst rauben, so tragen gegenwärtige Xiaomi-Vacuum-Saugroboter chinesischer Start-Up-Unternehmen aus Hongkong in gleichem Maß nicht unbedingt dazu bei, unseren Blick positiv auf kommende Einsatzmöglichkeiten richten zu lassen.

Nein, mit sonderlich viel Freude, Energie und Motivation begegnen die zukünftigen Rentenzahler ihren Berufen, dem zwischen 50 und 100 Prozent ihrer Lebenszeit ausmachenden Anteil, nicht. Ein Blick auf neueste Generationsdiagnosen von Soziologen mit Schwerpunkt Kohortenforschung genügt, um zu erkennen, dass vor allem Skepsis und Zweifel in Bezug auf die Arbeit der Zukunft vorliegen – und, anstatt sich brav den Erfordernissen eines Zeitungs-Stellenangebots zu fügen, definieren die Mitglieder der Generation Y oder Z die Anforderungen an den Beruf lieber selbst. Kinder der frühen Neunziger stellen beim Vorstellungsgespräch gleich klar, dass sie nur mit einem positiven heimeligen Arbeitsumfeld, welches ihrer Selbstentfaltung und Work-Life-Balance nicht im Weg steht, zu locken sind – ansonsten wird der verzweifelte, um qualifizierte Fachkräfte ringende Chef eben im Büro zurückgelassen. Die ersten vollblütigen Digital Natives ab etwa 1995, die Angehörigen der Generation Z, wollen hingegen lieber strukturierte Abläufe und fest geregelte Arbeitszeiten und im Gegensatz zu Y bloß keine Vermischung von Privatem und Beruflichem – nach Dienstschluss hat gefälligst auch Schluss zu sein, von wegen Home-Office oder solche Scherze.

Wenn employees von heute noch komplexere Bedingungen an die wahrscheinlich ohnehin schon diffizile Arbeitswelt von morgen stellen, ist dies eine logische Reaktion – vergleichbar mit den Vorbehalten, mit denen Menschen grundsätzlich auf drastische Umbrüche und drohendes Neues reagieren. Insbesondere dann, wenn es um die Fortentwicklung der Arbeit geht. Es sei nochmals an das 19. Jahrhundert erinnert, das Zeitalter der Industriellen Revolution, in dem schlesische Weber und englische Textilarbeiter die Häuser und Maschinen der Fabrikbesitzer zertrümmerten – aus Panik, die einschneidenden Schübe an technischer Innovation könnten die menschliche Arbeitskraft gänzlich ersetzen und das ohnehin schon verarmte Proletariat noch tiefer in den Pauperismus reiten.

Und wieder stehen wir vor einer angsteinflößenden Revolution, diesmal digitaler Art: Anstelle von Dampfmaschinen und Webstühlen sind es bislang unbekannte Kreaturen, die, ihre weißen Arme mit Riesenradius nach Auto-Teilen ausschwenkend und zu einem Gesamtwerk zusammenfügend, nun Staplerfahrer bei VW und Daimler um ihre Arbeit bangen lassen. Es sind potentiell menschenvernichtende Maschinen, die sowohl Politiker als auch NGOs zu Debatten über den bald bevorstehenden Einsatz von sich selbst steuernden Killer-Geräten in Kriegen veranlassen, wie sie bislang nur im Katastrophen-Science-Fiction-Fetzen „Colossus“ vorkommen. Roboter heißen sie, die Philosophenverbänden abverlangen, sich in ethischen Fragestellungen mit der tatsächlichen Möglichkeit der Ausbildung eines freien, autonomen Willens auseinanderzusetzen, für dessen Steuerung irgendwann weder Programmierer noch Informatiker verantwortlich sind. 
Dennoch kann sich die menschliche Spezies der prinzipiellen Verantwortlichkeit bei der Erschaffung all solcher Geräte, die nicht durch ein schlagendes Herz, sondern einen mechanischen Algorithmus am Leben gehalten werden, nicht entziehen. Stets waren sich die Menschen, die sich für die Erweiterung der Möglichkeiten durch anorganische Wesen entschieden, mehr oder weniger im Klaren darüber, sich als Arbeitskraft irgendwann selbst zu ersetzen. Jedes Mal in der Geschichte schoben sie hinterher Panik, ihre Arbeit tatsächlich dadurch zu verlieren – und immer konnten die Menschen dank dieser Innovationen neue Jobs kreieren, deren Existenz zuvor undenkbar gewesen wäre. 
Und es sind auch Menschen, die in Zukunft noch die Oberhand darüber behalten werden, wie sie zu arbeiten haben.

Trotz Forschungsergebnissen von hochkarätigen MIT-Wissenschaftlern, die mit besorgtem Stirnrunzeln die Hälfte aller amerikanischen Jobs innerhalb der nächsten zwei Dekaden zerfließen sehen, trotz drahtiger Jungunternehmer aus Fern-Ost mit unbeweglichem Gesichtsausdruck, die sich auf Zukunftsmessen eisenhart als führende Macht über die möglicherweise gänzlich digital werdende Berufswelt präsentieren, und trotz Job-Futuromaten, die außer Bestattern und Lehrern jedem anderen Job bereits jetzt eine automatische Ersetzbarkeit von mindestens 30% nachsagen, liegt es in der Hand jedes einzelnen Menschen, ob er sich in einen Strudel aus Grübeleien und Verlustängsten vor der ungewissen Arbeitswelt des morgigen Tages hineinziehen lässt. Oder ob er auf sich und seine Intelligenz, Kreativität, Emotionalität, Sensibilität vertraut – auf seine Menschlichkeit, die nicht einmal in den kühnsten Utopien und schlimmsten Dystopien von sprechenden Maschinen wegrationalisiert werden kann.

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Autorin / Autor: Franziska Sittig, 17 Jahre