Die Dummheit der Affen

Beitrag von Laura Hilbig, 18 Jahre

Wie kann man nur den Schmerz ertragen einen geliebten Menschen ganz plötzlich zu verlieren. Die Trauer sitzt tief in mir drinnen, frisst mich auf. Sie ist ein ständiger Begleiter in meinem Leben. Seit Tagen habe ich nur noch das Gefühl, dass ich ihn ohne den Schmerz nicht mehr leben kann. Weitgehend lässt mich dieser nie vergessen. Alle guten und schlechten Erinnerungen kommen zum Vorschein und beißen sich fest wie eine Zecke. Ich kann an nichts anderes mehr denken, nur noch an sein wunderbares Gesicht, wie er vor mir steht, wie er meine Hand nimmt und wie seine Küsse schmecken. Als wäre es erst ein paar Minuten her. Jede Stelle meines Körpers, die er je berührt hat, fängt an zu brennen. Ein unerträgliches Brennen. Dieses mich qualvoll denken lässt, dass ich ihn nie wieder spüren und sehen werde.
Zusammengekauert sitze ich vor meinem Bett und halte in meinen zittrigen Händen seinen Brief. Seinen Abschiedsbrief, den er mir hinterlassen hat. Es ist das einzige, woran ich mich festhalten kann, wo ich Antworten finde. Antworten für seine Taten.
Mein Sonnenschein, mein Liebling,
es tut mir leid, dass du mich so finden musstest. Es tut mir so unfassbar leid, das glaubst du gar nicht. Aber ich hatte keine andere Wahl. Ich konnte einfach nicht mehr mein Leben leben, vielleicht wollte ich es auch einfach nicht mehr. Ich fühlte mich immer so alleine wie eine Fliege in einem Netz voller Spinnen. Die Fäden umschlossen meinen Körper und zogen immer fester. Ich war unfähig mich zu bewegen. Jeder Tag war eine reine Qual, eine Last, die ich tragen musste, aber bei jedem Versuch fast immer unter ihr zerbrach. Ich weiß nicht, wie es soweit  kommen konnte. Alles hat sich so schnell verändert und dabei irgendwie nicht in meine Welt -in mein Leben- gepasst. Obwohl ich alles Mögliche  versucht hatte das „Neue“ anzunehmen. Aber es wollte mich einfach nicht annehmen. Die Geschichte der Menschheit oder bessergesagt „Die Geschichte vom Ende der Menschheit“ begann harmlos, wie du weißt. Wissenschaftler haben ihre Erfindungen von künstlicher Intelligenz in Metall gepflanzt und meinten es wäre die technische Revolution. Ich weiß nicht, ob ihnen die Konsequenzen damals bewusst waren. Wenn, ist es heute sowieso zu spät. Jegliche Revolte gegen den Fortschritt kam zu kurz. Wobei es zum Teil auch der Dummheit des Affen zu verschulden ist. Ich spreche nicht nur von mir, sondern von der ganzen Bevölkerung. Wir waren doch diejenigen, die Feuer und Flamme für die neuesten Technologien waren und immer das neuste Modell der elektronischen Geräte haben wollten. Durch unsere Verblendung haben wir nicht gemerkt, dass wir unser eigenes Grab geschaufelt haben und dem Feind einen Ehrenplatz am Esstisch widmeten. Die Regierung hat uns einfach ersetzt. Diese Blechbüchsen haben sich in sämtlichen Firmen eingenistet und das Kommando übernommen. Unsere Positionen geklaut um effizienter und schneller zu arbeiten. Bei diesem Prozess waren Menschen nutzlos und konnten sich nur geschlagen geben. Denn wer will sich freiwillig mit dem Staat anlegen. Die Oberhäupter handeln doch eh schon wie diese Monster ohne Gefühle. Ihnen ist es egal, ob sie mal schnell einen Nichtsnutz von Menschen kalt machen. Manfred, unser Freund, hat sich gewehrt und musste dafür mit seinem Leben bezahlen. In dieser Welt darf man nur „Ja“ und „Amen“ sagen, mehr ist nicht erlaubt. Wer sich nicht an die Regeln hält, wird einfach ausgelöscht. Irgendwann wird es keine Menschen mehr geben.  Das einzige, was für die Regierung eine Rolle spielt, ist Geld und immer mehr Gewinn. Gefühle wie Liebe spielen hier keine Rolle mehr. Alles, was früher wichtig war, wie Loyalität, Stolz der eigene Lebenswille existiert nicht mehr. Farben verblassen und alles scheint nur noch grau und trüb.  Die Regierung ist so auf ihr Vermögen fixiert, dass sie um sich herum nicht merken, wie die Welt in ihr verderben rennt. Die Maschinen verjagen uns aus unseren Berufen, nisten sich in unsere Häuser ein und setzten uns auf die Straße. Am Ende sind wir alles nur Sklaven unserer eigenen Technik.
Wenn wir diese List früher erkannt hätten, dann würden wir heute vielleicht noch in Frieden leben. Der Staat hat alles ins Verderben gestürtzt. Millionen von Menschen haben ihre Arbeit verloren und sind auf der Straße gelandet. Noch schlimmer: sie haben ihren Tod gefunden.

Weißt du Schatz? Ich habe dir nie davon erzählt, weil ich dich nicht beunruhigen wollte. Ich wollte stark sein für dich und die ganze Familie. Aber eigentlich habe ich mich nur selbst belogen. Dadurch, dass ich es dir nie erzählt habe, wurde ich zum Feigling. Angst vor seinen eignen Taten und Gefühlen. Ich hätte kämpfen sollen für eine bessere Welt und auch für Manfred. Wenn ich damals den Mumm gehabt hätte, dann wäre er vielleicht noch am Leben. Aber ich habe mich verkrochen und einfach aufgegeben. Ich konnte dir tagelang nicht mehr in die Augen schauen, in deine wunderschönen blauen Augen, nur weil ich mich so für mein Verhalten geschämt habe. Ich habe mich nicht mehr als Mann gefühlt, sondern wie ein Versager auf den niemand stolz sein kann und auch niemand fähig ist zu lieben.
Ich will, dass du dir für mein Versagen nicht die Schuld gibst. Hörst du: Du hast keine Schuld an meinem Tod. Ich alleine trage die Verantwortung. Ich habe für mich selbst entschieden, dass ich in dieser Welt nicht mehr leben kann und auch nicht will. Was ist schon eine Welt, wenn sie nicht mehr lebenswert ist?
Ich hoffe du kannst meine Entscheidung nachvollziehen und hasst mich nicht für mein Versagen.
Ich liebe dich so unendlich. Du wirst immer in meinem Herzen sein und ich werde auf dich warten!
Dein Paul

Meine Augen füllen sich mit Tränen und ich streiche mir mit der rechten Hand durch meine langen Haare und blicke mich suchend im Zimmer um. Sein Brief steckt voller Emotionen. Emotionen die ich hier nicht wieder erkennen kann. Mein ganzer Lebenswille ist verschwunden. Ich bräuchte eine Umarmung, jemand der mich festhält und mir sagt, dass alles wieder gut werden wird. Jemand festes, der mein Anker ist.
Aber es existieren nur noch Monster.

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Autorin / Autor: Laura Hilbig, 18 Jahre