Grün, die Farbe der Hoffnung

Beitrag zum Schreibwettbewerb Morgengrün von Rike Sauer, 18 Jahre

Wer wir sind? Wir sind mehr als unsere Namen. Wir sind das, was die Menschen zu den Menschen machen, die sie sind. Wir wohnen im Zentrum der Menschen, in ihren Herzen. Wir sind eine Welt für sich, bestehend aus den gegensätzlichsten Gefühlen und Einstellungen.
Wie unser Tag so aussieht? Da sein. So viel mehr ist es eigentlich nicht. Aber unser Dasein reicht aus, um in den Menschen große Kräfte frei zu setzen. Wir verleiten sie dazu, sich unterschiedlich zu verhalten und bestimmte Entscheidungen zu treffen. Weil wir uns in Gefühlen und Ansichten oftmals uneinig sind, was die beste Entscheidung für die Menschen wäre, sorgen wir nicht selten für innere Konflikte, auch wenn ich mich da eher zurückhalte.

Gestatten? Mein Name ist Hoffnung. Meine Kraft ist es beispielsweise, die Menschen Lichtblicke erhaschen zu lassen. Ihnen eine Aussicht auf eine Veränderung zu geben. Mein Einfluss reicht soweit, dass die Menschen an einen Ausweg aus ihrer misslichen Situation glauben ... wenn nicht gar an die Rettung der Erde.
Manchmal fange ich an, an mir zu zweifeln und wenn ich zweifele, dann zweifeln die Menschen mit mir. Dann gewinnen die negativen Gefühle der Erdbewohner die Oberhand, machen mich in solchen Momenten ganz klein und erniedrigen mich. Dann verliere ich an Intensität.
Ich war nie die Art von Gefühl, das viele Fragen stellt oder kompliziert zu anderen Gefühlen ist. Bisher habe ich nie protestiert oder versucht zu verstehen, warum die Menschen sich von mir distanzieren. Bis heute.

Zunehmend selbstbewusster, wende ich mich an die negativen Gefühle und frage nach, warum ich manchmal ausharren muss, bis die Menschen mich in den Mittelpunkt ihres Gefühlslebens holen.
Hass, Rachsucht, Überforderung, Ratlosigkeit, Trauer, Wut, Verletzung und Hilflosigkeit, die die positiven Gefühle wie mich schon viel zu oft zur Seite gedrängt haben, antworten mir überraschenderweise prompt und schnörkellos. Durch sie höre ich die Menschen verzweifelt sprechen: „Ich liebe meine Blumen über alles, aber sie wollen nicht mehr blühen. Ich sehe seit einigen Jahren einfach keine Bienen mehr, die sie bestäuben“. Oder: „Ich bin von Hauptberuf Imkerin. Egal wie sehr ich mich bemühe, keine der wenigen Bienen überlebt den Winter. Jetzt habe ich Schulden und stehe bis zum Hals im Wasser“. Oder:„Ich gebe alles für meine Kinder. Aber sie sind ständig krank, weil wir kein sauberes Wasser haben. Die Industrien haben es verpestet, die Fische schwimmen schon tot an der Meeresüberfläche. Keiner hilft uns“.

Schicksale höre ich wie diese. Eines fällt mir erschreckend auf: die persönlichen Schicksale der Menschen sind von dem Leid der Natur stärker geprägt, als je zuvor! Sie sind traurig, weil ihre betagten Eltern aufgrund von Überhitzung sterben. Sie sind wütend, weil die Klimaerwärmung tausende von Menschen den Ertrinkungstod erleiden lässt. Wanderslustige geben ihre Leidenschaft auf, weil die Erde bei lebendigem Leib verwest und der Ausflug in die Natur einem Horrortrip nahekommt.
Bauern wissen nicht mehr weiter, weil ihre Ernte kaum mehr für sie selbst reicht. Der Hunger bringt die Menschen um ihren Verstand, und ihre schlimmen Schicksale bringen mich um den meinen.

Um mich nicht unterkriegen zu lassen und mich den Schicksalen hinzugeben, wende ich mich auch an die positiven Gefühle, an meine Freunde. Ich frage sie, warum Menschen gerade mich weiterhin empfinden sollen. Allen voran frage ich Wille, Motivation, Selbstvertrauen, Mut, Tatkraft und Empathie. Ihre rührenden Antworten bestärken mich tatsächlich!
„Erkundige dich mal nach der Familie Komplexität. Die ist zwar komplex, aber sie wird dir sicherlich gerne weiterhelfen!“, antwortet mir Empathie und weckt mit ihrem Rat meine Neugierde. Ich suche und werde fündig. „Wenn du einmal weg bist, kannst du nicht ins Gefühlsleben der Menschen zurückkehren. Deine Freunde und die Freunde des Menschen, sind ohne dich machtlos. Weil jeder der liebt, der zweifelt auch mal, und jeder der mutig ist, der hat auch mal Angst. Aber du Hoffnung, bestärkst die Menschen in ihrem guten Wesen und in ihrem Durchhaltevermögen ... Ohne dich würden die negativen Gefühle die Menschen und ihre Umwelt noch mehr verpesten“, lassen mich Weisheits Eltern wissen und erkennen.

Die wohl zweitwichtigste Lektion erteilt mir jedoch Weisheit selbst, mit besorgtem Gesicht: „Wenn du verschwindest, dann reißt du die Menschen und schließlich die ganze Welt mit in den Tod. Du hättest den Tod so vieler zu verantworten!“. „Und das kannst und möchtest du nicht verantworten“, ergänzt passend dazu Verantwortung, mit mahnender Stimme.

Langsam werde ich wieder stärker, zeigen mir meine lieben Freunde doch auf, warum die Menschen und sie mich brauchen. Es ist nicht meine Art, einfach so aufzugeben, nicht mehr zu hoffen, denn ich bin die Hoffnung höchstpersönlich! Ich werde die leidenden Menschen und die sterbende Natur nicht im Stich lassen! Ich werde meine Freunde nicht im Stich lassen und die negativen Gefühle die Oberhand gewinnen lassen - weder bei mir selbst, noch bei den Menschen!

Ich möchte in den Herzen der Menschen die Keime der Hoffnung pflanzen, deren prächtigen Bäume die Welt neu begrünen werden. Ich möchte ihnen etwas schenken, an dem sie festhalten können. Ich möchte ihnen die Türe für ihre positiven Gefühle öffnen. Kurz gesagt: ich möchte gemeinsam mit meinen Freunden die Zukunft zu einer besseren machen.

Und wenn wir etwas möchten, dann möchten die Menschen es mit uns.

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