Rudolph the red-nosed reindeer, Seite 2

Eine seltsame Begegnung

Auf einmal bohrte sich ein quietschendes Bremsgeräusch in mein linkes Ohr und durchbrach meine Gedanken. Ich wandte den Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war und sah, dass ein Mercedes wohl mit zu viel Tempo aus einer Ausfahrt geprescht war und so das von links heranrollende Fahrrad offensichtlich nicht hatte kommen sehen. Dieses Fahrrad war noch von dem daraufsitzenden - oder besser thronenden - Weihnachtsmann versucht worden – ohne Erfolg allerdings - zu stoppen. Es war zur Seite geglitten und der Weihnachtsmann mit Geschenkesack zu Boden gegangen. AUTSCH! Der Mercedesfahrer winkte nur ärgerlich ab und fuhr dann einfach vorbei und fort. Ja, gerade in der Weihnachtszeit schreiben wir Nächstenliebe groß. Ich überquerte die sonst wenig befahrene Straße. Der Weihnachtsmann – wahrscheinlich auch so ein bedürftiger Philosophiestudent oder Ähnliches - begann sich gerade aufzurappeln und fluchte dabei was das Zeug hielt. Auf Weihnachten. Sein Anblick war rührend und vor allem sehr komisch.

Weihnachtsmänner haben's schwer!

Unwillkürlich mußte ich grinsen... Unterdrückte es aber gerade noch rechtzeitig, als er sich mir zuwandte: „Wieder so’n total bescheuerter Dienstplan. Ich hab’s gewusst, aber nein, nein so und nicht anders diese Hirnverbrannten...“. Den Rest möchte ich hier lieber nicht wiedergeben. „Warum lassen Sie sich denn nicht in die Osterriege versetzen?“, fragte ich, als ich versuchte ihm den Rücken sauber zu klopfen. Er sah mich erstaunt an: „Das hab‘ ich ja versucht, aber man hat mich nicht gelassen; Ordnung muß sein, gerade im Weihnachtsgeschäft und so.“ Wir begannen seine Geschenke, die überall verstreut lagen, einzusammeln. „Aber warum denn auf einmal mit dem Fahrrad, Herr Weihnachtsmann? Ich meine, was ist denn aus Rudolf geworden?“. Für einen Augenblick bekamen seine Augen einen liebevollen Glanz, der sofort erlosch. Dann sagte er nur: „Wegrationalisiert.“ „Och.“

Der gefiel mir immer besser!

„Ja und jetzt heißt es Drahtesel statt Rentier.“ Er tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. „Wie wäre es denn, wenn Sie sich ein etwas größeres, naja so eine Art Dreirad eben besorgten? Sie als
Weihnachtsmann müssten da doch ohne Probleme rankommen.“ Er nahm die Mütze vom Kopf, der erstaunlich kahl war und kratze sich. „Hmm“, machte er, schien im Übrigen ganz versunken, so dass ich mich schon wieder auf mein eigenes Fahrrad setzte. „Warte!“, rief er plötzlich und begann in dem Sack, in dem wir die Geschenke wieder verstaut hatten, zu suchen. Schließlich drückte er mir ein lila Päckchen in die Hand. „Vielen Dank für deine Hilfe. Tu‘ mir noch einen Gefallen; Bring‘ das doch bitte in die Ubierstr.30.“ Er sah mich noch kurz mit seinem wasserblauen Augen an, schwang sich auf sein Fahrrad und radelte los. Öfter mal was Neues, nun also noch Kurierdienste. Ich starrte auf das mittelgroße Päckchen in meinen Händen. Aber Moment mal. Ubierstr.30. Meine Adresse. Woher kannte er meine Adresse? Das Päckchen war nicht sehr schwer, weich, verdächtig plüschig. Ich drehte es herum. Miri stand da in ordentlichen Buchstaben auf der Rückseite. Konnte es sein...? Ich blickte auf. Am Ende der Straße sah ich einen roten Farbtupfer zwischen den Häusern verschwinden.

Autorin / Autor: baobab - Stand: 21. Dezember 2001