Ende und Anfang, Seite 2

Deutschland!!!

„Zwei Wochen müssen wir in Unna-Massen wohnen, danach werden wir uns eine Stadt aussuchen, in der wir wohnen wollen und fahren dann dahin" erklärt Papa den Mädchen. In 5 Stunden sind wir bereits in Unna-Massen!" „Steigt aus.“ Schon sind wir da. Lena und Marina steigen aus. Neben ihrem Auto stehen viele komische Leute und gucken auf die Mädchen - voller Neugierde und irgendetwas anderem noch, das Mädels nicht verstehen können. Sie haben noch nie so viele Menschen mit dunkler Hautfarbe gesehen. Marina und Lena haben schnell ihre Sachen genommen und sind ins Haus gerannt. Haus. Und kein Zuhause. In den nächsten Tagen haben sie einige Russen kennen gelernt und die haben erzählt, dass sie Serben und Jugoslawen sind und dass sie in ihrem Land jetzt Krieg haben. "Diese Russen sind gar nicht schlecht, es ist auch lustig mit denen, aber sie sind irgendwie anders" meinten die Mädchen abends zueinander.

Zwei Wochen später saß die Familie schon wieder auf ihren Koffern und wartete darauf, dass ein Mann ihren Nachnamen sagt. „Kukuschkini! - Ihr seid dran, kommt in Bus“. In drei Stunden waren sie schon in Essen. Saubere Strassen, gute Autos. Da ist irgendein Amt, sie müssen hier aussteigen. In diesem Amt bekommen sie den Schlüssel von einem Zimmer in einer Notwohnung. Notwohnung! Was kann man darüber erzählen. Eine Zimmer für die ganze Familie. Eine Badewanne , eine Toilette und eine Küche für 15 Menschen, die auf ihrer Etage wohnen. In den nächsten Tagen haben Marina und Lena hier Russen kennen gelernt, die ganze Zeit mit Russen verbracht, waren in russischen Discos. Sie waren Russen, aber keine Russen wie in ihrer Heimatstadt. Viele waren aus Kasachstan. Schlägereien ohne Ende, trinken und andere zwingen, mitzutrinken. Drogen. Sie waren halt nicht so wie Marina und Lena.

Mama, wir wollen zurück!!!

Es war schon August und Mama kümmerte sich um die Schule. Sie ist ins Schulamt gegangen, und eine Frau, die da saß, hat gesagt, dass Lena und Marina nur in die Hauptschule gehen können. Aber Mama hat gehört, dass in die Hauptschule alle diese Russen gehen, und ihre Töchter werden dann nicht deutsch, sondern russisch sprechen. Die Frau hat trotzdem gesagt, dass die Mädchen nur zur Hauptschule können und alle anderen Schulen für die Ausländer geschlossen sind. Am nächsten Tag hat Mama in einem Gymnasium angerufen und am ersten Schultag sind Marina und Lena ins Gymnasium gegangen.

Es war sehr schwer, den Unterricht zu verstehen und mitzureden. Sie waren gemeinsam in einer Klasse und haben die ganze Zeit russisch geredet und deswegen keine Kontakte aufgebaut, sie wollten das auch nicht. Lehrerinnen haben sie immer angeschrien: „Wieso sitzt du da und machst nichts, du musst in eine andere Schule gehen..." Andere haben gesagt „Ihr tut nur so, als ob ihr nichts versteht, weil ihr einfach nichts machen wollt!“ Die Mädchen sind jeden Tag nach Hause gekommen und haben drei oder vier Stunden lang mit einem großen Wörterbuch jeden Text übersetzt, geweint, mit Eltern gestritten und immer gefragt: „Mama, wieso sind wir hierher gekommen -um schlechte Noten zu kriegen, um den ganzen Tag mit dem Wörterbuch hier rumzusitzen? Wieso???“ "Es klappt noch alles, ihr werdet noch sehen. Ihr dürft aber auf keinen Fall aufgeben!" Es war schwer, sehr schwer. In allen Bereichen.. Andere Sprache, andere Leute, auch anderer Klamottenstil. Einfach schwer.

Mama hatte Recht!

Marina und Lena gehen jetzt in die 12. Klasse eines Gymnasiums, sprechen fast perfekt deutsch, haben keine Problemen in der Schule und sehr viele Freunde. Sie haben nie mehr gesagt, dass sie in Lettland bleiben wollten. Die Hauptsache ist: man darf nicht aufgeben - und sie haben es geschafft. Sie haben jetzt eine Zukunft, auf die man warten will!!!
Mama hatte Recht: Danke!!!!

Autorin / Autor: Alissa Rabinowitsch - Stand: 30. März 2002