Langweilig ist die Zukunft

von Thomas A. Herrig, 26 Jahre

In 11 Jahren verkaufen wir ein radikal retro-innovatives Produkt:
die Langeweile.

Bis 2029 haben wir gefühlte 30 Jahre permanenter Dauerbefeuerung durch Facebook, Snapchat, Instagram, WeChat, WhatsApp und von bestimmt noch zehn weiteren sozialen Netzwerken hinter uns.
Forscher diverser Hochschulen werden bis dahin hundertfach belegt haben, dass die dauerhafte Reizüberflutung dazu führt, dass wir alle uns kaum mehr ausreichend konzentrieren können, geschweige denn intensiven Denk- und Schöpfungsprozessen noch gewachsen sind. Darunter leiden schließlich auch die Unternehmen – besonders Werbeagenturen –, die im Konkurrenzkampf mit künstlichen Intelligenzen vom kreativen Output ihrer menschlichen Mitarbeiter abhängiger denn je sind.

Irgendwo in diesem Spannungsfeld beschließen ein paar findige Studenten, ein Start-up zu gründen, um uns das zurückzugeben, was wir schon fast vergessen haben: die Langeweile.
Die stimuliert immerhin nachweislich neuronale Prozesse und macht ungemein kreativ. Aber wer traut sich schon am Arbeitsplatz einfach Däumchen zu drehen? Fallen nicht Müßiggänger ihren dauergestressten Kollegen in den Rücken?

Die Lösung: Indem das Start-up Langeweile als Produkt, als Effizienz und Output steigernde Beratungs- und Coaching-Maßnahme verkauft, wird aus der vermeintlichen Faulenzerei ein betrieblicher Optimierungsprozess.

Unsere Gründer bieten also den Unternehmen „Müßiggänger-Pakete“ an und bringen die teilnehmenden Mitarbeiter zu einem ihrer „BoreDomes“. Hier nimmt man ihnen - Einverständnis vorausgesetzt – alle persönlichen Gegenstände ab und führt jeden Einzelnen in einen neutralen Raum mit Blick in die Natur (plus Notizbuch, Stift und Panikknopf). Dann werden die Teilnehmer für den Rest des Tages eingeschlossen und stellen sich endlich ihrer Langeweile.

Die Kampagne zum Produkt gründen wir auf ein selbstironisches Bekenntnis, das gleichzeitig für eine neue gesellschaftliche Akzeptanz des Müßiggangs wirbt. Mit „Ich bin ein Langweiler“ treten wichtige Entscheider und Erfolgsunternehmer als Testimonials für die kreative Kraft des Nichtstuns ein.

Und wer jetzt noch nicht überzeugt ist, dem bringen wir mit einer ganz speziellen Awareness-Aktion die eigene Langeweile noch einmal richtig nahe: Für die Dauer eines Abends schmuggeln wir in sämtliche Filmvorstellungen der Kinos dreißigminütige Unterbrechungen mit graukarierten, absolut regungslosen Fernseh-Testbildern und stören zusätzlich alle Funksignale. Wenn dann im Publikum vor lauter Langeweile die interessantesten Ideen diskutiert, kreative Späße ausprobiert und neue Freundschaften initiiert werden, beweist das:

Langweilig – ist die Zukunft. 

Einsendungen zum Schreibwettbewerb

Autorin / Autor: Thomas A. Herrig, 26 Jahre