Einführung der Ganztagsschule - Teil 2

Lieber der Innovation dienen, als dem Sohnemann die Grundrechenarten beibringen....

Patentlösung Ganztagsschule?

Hintergrund der Pisastudie war es, die Leistungen von Schülern aus unterschiedlichen Ländern zu vergleichen. Nachdem dies geschehen ist, lautete die Aufgabe für die Verlierer, die Schulsysteme zu vergleichen und Rückschlüsse zu ziehen. Beim Blick über den Tellerrand haben die deutschen Politiker schließlich feststellen müssen, dass Deutschlands Schüler im Vergleich zu Gleichaltrigen in fast allen anderen europäischen Ländern die Freiheit haben, über ihr Nachmittagsprogramm selbst entscheiden zu dürfen. Bei den Pisa-Siegern Finnland, Japan und Kanada sind seit jeher Ganztagsschulen Gang und Gebe, während in Deutschland gerade mal 5,4 % der staatlichen Schulen so angelegt sind.  Das soll sich bis 2007 grundlegend ändern. Mithilfe von 4 Milliarden sollen 10 000 Gesamtschulen auf dem ganzen Bundesgebiet verstreut eingerichtet werden beziehungsweise vorhandene Schulen als Ganztagsschulen umstrukturiert werden.

Die Ganztagsschule verspricht das Problem der Integration ausländischer Schüler und der fehlenden Chancengleichheit zu lösen. Wenn die Schüler auch nachmittags dieselben Angebote besuchen können, dieselbe Unterstützung bei Zusatzaufgaben erhalten und beaufsichtigt werden, können auch sozial Schwache aufgefangen werden. Viele bekommen zu Hause nicht genug Unterstützung bei Hausaufgaben, weil die Eltern entweder die Zeit dazu nicht haben, oder schlichtweg nicht in der Lage sind, Nachhilfe zu geben. Für ausländische Kinder besteht die Möglichkeit, nachmittags mit deutschsprechenden Kindern zusammen zu sein und folglich schneller und einfacher Deutsch zu lernen, anstatt bei ihren Familien in ihrer Heimatsprache zu reden, da auch die Eltern oft Deutschprobleme haben.

„Für sie“

Ein ebenfalls schlagendes Argument ist die Entlastung der Mütter. Kindererziehung ist beim Otto-Normal-Bürger immer noch Frauensache. Während „er“ Karriere macht und das Geld verdient, schmiert „sie“ Pausenbrote, holt die Kinder von der Schule ab, kocht pünktlich um 12 Mittagessen und hilft am Mittag bei den Hausaufgaben. Zeit für berufliche Karriere bleibt da nicht. Zwar sind über 54% der Schüler eines Abiturjahrgangs weiblich, 1995 schrieben sich erstmals mehr weibliche, als männliche Studenten ein, in den 100 größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands befindet sich jedoch kein einziges weibliches Vorstandsmitglied. Auch im Mittelstand ist der Anteil weiblicher Chefs auf 10,5 % zurückgegangen. In anderen Ländern (Großbritannien, Schweden, Frankreich), wo meist Ganztagsschulen auf dem Programm stehen, sind zwischen 87 und 98% der Karrierefrauen gleichzeitig Mütter, während in Deutschland nur 57 % der Frauen Kind und Karriere haben.
Auch wirtschaftlich gesehen, wäre es sinnvoller, wenn beispielsweise eine Diplomingenieurin der Innovation dienen würde, anstatt ihrem Sohnemann die Grundrechenarten beizubringen.

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Autorin / Autor: gitana - Stand: 18. Mai 2004