Die gläserne Dschunke

Eine Geschichte vom Wünschen

Es war schon Mitternacht, als Li von der Hauptstraße in eine kleine, schmale Gasse einbog. Er schlich an dicht beieinander stehenden Häusern vorbei. Vor einem rot gestrichenen Haus mit einem wunderschönen geschwungenen Dach blieb er schließlich stehen. Nirgendwo brannte Licht. Leise klopfte Li an das kleine Fenster, das etwa einen Meter über dem Boden angebracht war. Totenstille. Nichts bewegte sich. Der junge Mann nahm einen Stein und zielte auf das Fenster. Es klirrte leise und er huschte schnell in einen Hauseingang, um nicht erkannt zu werden, falls man das Geräusch gehört hatte. Nichts geschah. Dann lief er zurück zum Fenster und stieg vorsichtig hinein.

Im Haus war es stockdunkel und kühl. Li schlich zur Tür, öffnete sie und ging weiter. Er war in einem Flur. Hübsche Gemälde schmückten die Wand und eine kleine Garderobe stand daneben. Li ging durch eine hölzerne Tür nach draußen. Nun befand er sich auf einem Parkplatz. Er ging über den Platz und sah vor sich ein kleines Restaurant. In goldenen Lettern stand dort: "Zum Goldenen Fächer". Hier war er richtig. Er schlüpfte durch die Hintertür und befand sich gleich mitten im Restaurant. Li ging auf eine dichte Topfpflanze zu und schob sie zur Seite, ohne bemerkt zu werden. Dahinter befand sich eine Tür. Sie war sehr schwer zu erkennen und somit gut getarnt. Li schloss sie mit einem silbernen Schlüssel auf. Er sah nun vor sich einen langen Tunnel, eine Treppe führte nach unten. Der Gang führte zu einem Bild von einem Maler. Li drückte auf einen kleinen Knopf im goldenen Rahmen. Lautlos glitt das Bild zurseite und Li befand sich nun in einem runden Raum. An der Wand hingen rote Stoffbanner mit Schriftzeichen. In der Mitte stand ein breiter Tisch aus Mahagoni. Und an diesem Tisch saß eine Frau.

Sie lächelte Li spöttisch zu, als er an den Schreibtisch trat. "Du hast aber lange gebraucht, um hierher zu finden. Aber du bist eben noch ein Anfänger." Ihre mandelförmigen Augen blitzten. "Es war ein weiter Weg und es ist nicht so einfach, mal eben durch ein bewohntes Haus zu schleichen. Ich finde, auf dem Weg hierher musste man viel zu viel schleichen und aufpassen, dass man nicht beobachtet wird. Ich heiße übrigens Li." Li kochte vor Wut. Diese Frau nannte ihn Anfänger, obwohl er als Meisterdieb in Peking berühmt war! "Tz, du bist lustig. Das waren Vorsichtsmaßnahmen. Ich werde in ganz China von der Polizei gesucht! Aber egal. Mein Name ist Shu Zheng. Ich habe gehört, dass du ein guter Spion und Dieb bist. Ich habe einen Auftrag für dich. Vor 2000 Jahren gab es einen Kaiser, der einen Schatz besaß. Natürlich war dieser Schatz nur so groß wie ein Modell, doch wenn er ihn berührte, konnte er sich damit alles wünschen, was er wollte! Viele Leute glauben nicht an diese Legende, aber ich habe einen eindeutigen Beweis für die Existenz dieses Schatzes gefunden. Ich werde ihn dir natürlich nicht verraten. Aber du sollst mir ihn besorgen. Denn dann werde ich mir wünschen, dass sich mir alle Menschen unterwerfen! Haha!!" Li starrte sie ungläubig an. Diese Frau war doch komplett durchgeknallt! "Glotz´ mich nicht so an! Beschaffe mir das gute Stück und du wirst reich dafür belohnt! Ich habe für alles gesorgt," Sie lächelte böse. Und du kannst dir mit dem Ding auch nichts wünschen, denn sie ist in einer verschlossenen Schatulle und den Schlüssel habe nur ich!" "Was ist dieser Schatz und wo kann ich ihn finden?" fragte Li verdutzt. Shu zheng antwortete: "Es ist eine gläserne Dschunke und du wirst in ganz China danach suchen!"

...die Geschichte geht so weiter, dass ein Mädchen in einem Dorf die Dschunke findet und mit ihr wegläuft, denn sie wird von Shu und Li verfolgt. So beginnt eine Reise durch Ostchina, die damit endet, dass das Mädchen die Dschunke ins Wasser wirft, damit dieser Schatz kein Unheil mehr anrichten kann!

Autorin / Autor: marike - Stand: 6. April